Pianist Daniel Prandl im Interview
Daniel Prandl, Pianist aus Mannheim, 1979 in Burghausen geboren, beschäftigt sich seit dem vierten Lebensjahr mit Musik und hat bereits als Jugendlicher zum Jazz gefunden. Er studierte in Regensburg, an der Musikhochschule Mannheim und in Helsinki. In den vergangen Jahren hat er bereits einige CDs aufgenommen. Sein aktuelles Album „Fables & Fiction“ wird im Rahmen von Enjoy Jazz als CD-Release Konzert bei der Jazz’n’Arts Night am 16.10. präsentiert. Auf der Bühne der Alten Feuerwache werden neben Daniel Prandl am Flügel, Wolfgang Fuhr (reeds), Axel Kühn (b) und Kristof Körner (dr) stehen.
(Das Interview führte Frank Schindelbeck, man kennt sich schon eine Weile und entsprechend blieb es beim „Du“)
Auf deiner Website ist zu lesen: „seit dem vierten Lebensjahr ist Musik fester Bestandteil seines Lebens.“…
Das stimmt. Da war eine große Lust, die von meinem Großvater angestachelt wurde, weil der sein Akkordeon gespielt hat und der kleine Daniel wollte ihm nacheifern. Er hat dann immer gebettelt und ich glaube mit drei, dreieinhalb Jahren haben meine Eltern tatsächlich jemanden gefunden, der mir darin Unterricht gegeben hat, was eigentlich kompletter Unfug war. Trotzdem hat es einen Riesenspaß gemacht, so dass ich dann auch gute 10 Jahre mit dem Akkordeon mein Leben verbracht habe.
Eigentlich war also eine Karriere als Alleinunterhalter bei Volksfesten abzusehen?!
Ich möchte eine kleine Lanze brechen! Das Akkordeon hat etwas mehr zu bieten als nur Volkstümliches. Das weiß man hier in der Region, es gibt den einen oder anderen Akkordeonisten, der im französischen Bereich unterwegs ist (Laurent Leroi), da ist schon einiges geboten und auch in der modernen Klassik oder Avantgarde gibt es spannende Kompositionen für Akkordeon. Aber das ist alles nicht mehr mein Thema.
Stimmt – Du hast vor kurzen eine Platte als Pianist heraus gebracht – ich sage immer noch Platte aber es ist natürlich eine CD…
Das „Album“ vielleicht, das ist neutral…
…oder „das Werk“, ich nenn’s einfach nur das Werk (Daniel lacht). Das Werk heißt „Fables & Fiction“. Was hat es damit auf sich?
„Fables & Fiction“ erklärt sich ja im Grunde schon selbst. Es geht um „Fiction“ – also fiktive Texte, Literatur liegt dem Ganzen zu Grunde und „Fables“ – Mythologie. Das waren die beiden Inspirationsquellen für diese Platte. „Platte“ – jetzt sage ich auch Platte – im Grunde entspricht das meiner Leidenschaft für Literatur. Literatur war neben dem Klavierspiel schon immer meine große Leidenschaft, die während des Studiums allerdings sehr kurz gekommen ist. Lustigerweise habe ich dann während meines Auslandsstudiums an der Sibelius Akademie in Helsinki bei Jarmo Savolainenin – mit der langen Dunkelheit, wie man sich das alles klischeehaft vorstellt – da habe ich dann tatsächlich so viel gelesen wie schon lange nicht mehr. Und es begegnen einem natürlich so manche Gestalten, die einen mehr oder minder direkt inspirieren oder einfach nur – vielleicht gar nicht so konkret – auf ein Stück bringen, zumindest in eine Gemütslage versetzen, die man irgendwann wieder aufgreift. Oft entstehen auch Stücke einfach so: man improvisiert ein bisschen – vielleicht auch, weil man gerade nicht so konkret üben will (lacht) und stolpert dabei über eine Idee, die sich dann fest setzt. Und verbindet die dann wieder vielleicht mit etwas Gelesenem.
Gerade weil „Fables & Fiction“ eine Programmplatte ist, die sich auf gewisse Dinge bezieht, ist es natürlich schön und erleichtert vielleicht den Zugang, wenn man sich rund um diese Titel informiert. Das steigert den Genuss – je mehr ich weiß, über eine Sache, desto tiefer kann ich einsteigen.
Wie wird das bei Live-Konzerten aussehen? Gibt es vor den Stücken dann immer eine „literarische Einführung“?
Wer mich kennt, der weiß, dass ich gerne viel rede (lacht). Ich bremse mich da schon immer ein wenig, aber zu einigen Stücken werde ich dann so einiges erzählen, ja.
Eine Pressezitat: „…dass er dabei eigene Akzente setzen wird, dafür bürgt seine außerordentliche Qualität. Prandl, ein Meister verblüffender Improvisationswendungen vereint in seinem Spiel treibenden Swing und kristalline Bebophärte mit den Subtilitäten der klassischen Musiktradition.“ Klingt gut, oder?
Das klingt formidabel.
Findest du dich darin auch wieder?
Das ist ein relativ altes Zitat und ich weiß nicht, ob das der betreffende Redakteur heute noch so schreiben würde. Ich glaube, wenn man die aktuelle Platte hört, wird man nicht viel „kristalline Bebophärte und treibenden Swing“ finden.
Sondern?
Zeitgenössische Kompositionen! Keine der Nummern ist als Swingkomposition konzipiert und es geht nur einmal bei der Eröffnungsnummer, beim „Hatter“ gehen wir doch einmal in ein „Swingfeel“. Wenn du mich jetzt fragst, warum, kann ich das gar nicht beantworten. Es passiert einfach, man schreibt, und dann hat man seine Stücke, probt und dann entstehen Dinge und dann ist es halt nicht so viel Swing, diesmal. Vielleicht beim nächsten Mal mehr, ich sehe das nicht so eng.
Es ist ingesamt eine eher ruhige Platte, sehr schöne ausgedehnte Stücke mit langen Bögen und einer weitgespannten Dynamik. Musik die man nicht unbedingt in einem „klassischen Jazzkeller“ spielen oder hören möchte. Wenn das Publikum an der Bar vor sich hin säuft und sich laut unterhält. Ist das ein Problem mit so einem Programm?
Es stimmt natürlich, dass diese von dir beschriebene Szenerie bestimmt nicht optimal ist und man sich für solche Musik eher einen konzertanten Rahmen wünscht. Es wäre schön, immer ein gutes Instrument zu haben, einen ordentlichen Flügel, einen guten Sound und solche Dinge.
Allerdings sprechen wir da nicht über die Realität wie sich Jazz heute darstellt – zumindest nicht in der Breite – und deshalb werden wir bei den Clubkonzerten einfach einmal sehen ob wir die Leute „kriegen“. Auch das gibt’s ja – man kann die Hörer durchaus fesseln und man kann auch mit dem Setting, das man vor Ort hat – beispielsweise mit einem durchschnittlichen Klavier, einem bisschen diffusen Klang und so weiter, man kann einfach das Beste daraus machen und vielleicht auch ein bisschen anders spielen. Wir hatten kürzlich ein Konzert, das etwas spontan angesetzt war und da sind dann auch andere Dinge passiert: wir haben beispielsweise einige Stücke mit ins Programm genommen, das muss ja dann nicht alles 1:1 wir auf der CD sein. Platte ist Platte – Live ist Live.
Wenn wir gerade von „wir“ sprechen, könnte man in diesem Zusammenhang die freundlichen Herren erwähnen, die dir das Vergnügen bereitet haben auf dieser CD mit zuspielen.
Großes Vergnügen! Saxophon spielt Wolfgang Fuhr
…der „alte Mann“ der Band
…das ist unsere „Graue Eminenz“ (lacht)
Wolfgang wird uns die Begriffe nicht übelnehmen – hoffe ich – der „ernste“ Hintergrund der Frage ist, dass er in der Gruppe tatsächlich eine halbe Generation älter ist als der Rest der Band…
Das stimmt, wir wollen sein Alter natürlich nicht nennen – aber er ist ein Stück älter als wir. Natürlich ist der erste Grund warum ich ihn in die Band geholt habe der, dass ich viele tolle Erlebnisse mit ihm hatte, bei Sessions, und weil man gemerkt hat, dass es musikalisch passt. Aber es hilft tatsächlich auch jemanden zu haben, der mehr Erfahrung hat. Der in manchen Situationen Ruhe reinbringt, wenn man mit wenigen Proben ins Studio geht und es etwas unsicher wird, wenn da einer da ist und sagt: „Leute das kriegen wir schon hin“. In der Hinsicht hat Wolfgang großartig unterstützt und ganz viele positive Impulse gebracht. Ganz abgesehen vom Saxophonspiel, über das man jetzt nicht groß streiten muss. Er ist ein Supersaxophonist aber da gibt es eben einen ganz großen Mehrwert im sozialen Bereich. In der Bandinfrastruktur, die – glaube ich – immer sehr wichtig ist
Wer übernimmt da welchen Part? Und: passt das Gefüge? Das hat sich bei uns Vieren schon während der Tage im Studio als sehr glücklich herausgestellt und hat sich bewahrt. Ich weiß das sehr zu schätzen, das gibt es nicht immer.
Die beiden anderen Herren sind zwei, drei Jahre jünger als ich: Axel Kühn aus der Stuttgarter Szene hat sich mit seiner eigenen Band schon einen sehr guten Namen gemacht hat. Und am Schlagzeug ist Kristof Körner, der bislang vielleicht außerhalb der Region noch nicht so bekannt ist, der aber schon hier und da aufleuchten hat lassen, was er alles drauf hat. Er ist einer der ganz großen „Kreativ-Inputgeber“ in dieser Band und ich finde es super ihn dabei zu haben, weil er immer viel hinterfragt und neue Aspekte einbringt an die ich und die anderen vielleicht nicht gedacht hätten.
Mit Kristof Körner arbeitest du ja auch schon viele Jahre zusammen…
Wir haben während des Studiums schon oft gejammt, in eher flüchtigen Studentenprojekten und seit einigen Jahren gibt es eine feste „Übegruppe“ – tatsächlich, so spießig das klingt – wir treffen uns alle ein bis zwei Wochen mit einem Bassisten und arbeiten einfach zusammen. Auch weil im Berufsalltag oft die Zeit fehlt. Die Zeit für mich zu üben – „einfach so“, ohne konkretes Ziel eines kommenden Konzerts und da ist diese „Jazzselbsthilfegruppe“ wie wir uns selbst nennen…
…wäre auch ein schöner Bandname…
Wer weiß, wer weiß, Frank – lass dich mal überraschen. Es ist eine ganz tolle Gelegenheit sich mit diversen Phänomenen zu beschäftigen, einfach mal wieder etwas „auszuchecken“. Gerade so kurz nach dem Studium, wenn man anfängt viel zu arbeiten, dann bleibt dieses kreative Üben, auch das ziellose Üben, das „einfach mal gucken, wo uns das hinführt“ auf der Strecke. Das ist sehr wichtig und von daher sind wir ziemlich gut eingespielt.
Auf der CD steht nicht „Daniel Prandl Quartett“.
Da stimmt. Auf der CD spielt sehr oft das Daniel Prandl Quartett aber eben nicht dauernd. Wir haben zwei Trionummern und eine Duonummer, alle Stücke sind von mir geschrieben also habe ich mich dafür entschieden, dass mein Name auf der CD steht.
Aber es ist schon geplant, das die Quartettformation eine längere Lebensdauer hat?
Natürlich. Man macht so eine CD nicht, um drei Konzerte zu spielen und es dann gut sein zu lassen. Neben Enjoy Jazz spielen wir noch einige Konzerte in der Region, bei KuKuK in Frankenthal, im kommenden Jahr auch im Steinhäuser Hof in Neustadt an der Weinstraße, im Nachtcafé und weitere Konzerte sind geplant.
Wie ist die Produktion deiner CD abgelaufen?
Nachdem ich alle Stücke geschrieben habe, ist natürlich viel Vorarbeit bei mir passiert. Erst mal Stücke schreiben! Das sind natürlich keine Partituren, sondern leadsheets, also Melodien, Akkordsymbole und ein bisschen Arrangement, das sich dann aber später immer noch ändern kann. Das ist immer „work in progress“ aber sobald die leadsheets vorliegen, schicke ich sie den Leuten und in diesem Fall hatten wir – wegen der Terminpläne von allen – recht wenig Zeit: Wir hatten nur vier Proben und eine Art Übungskonzert in der Stuttgarter Kiste, wo wir das mal vor Publikum ausgetestet haben. Es gibt Bands, die treffen sich sogar einfach direkt im Studio und spielen ein und andere, die sich lange und intensiv auf die Studioarbeit vorbereiten. Das kann alles zu einem guten Ergebnis führen, man kann da nicht sagen, was der Königsweg ist.
Bei uns hat sich das einfach so aus der Praxis ergeben und im Studio hatten wir dann zweieinhalb Tage. Da ist dann auch noch einmal viel mit den Stücken passiert. In den Proben haben sich schon viele Arrangements gefunden, die ganz simplen Dinge wie „wer spielt wann ein Solo“, wer fühlt sich wohl damit in welchem Stück an welcher Stelle. Was die ganze musikalische Ausarbeitung angeht: da habe ich zwar einen Plan aber auch drei sehr mündige Musiker an meiner Seite, die auch alle ihre Meinungen geäußert haben. Das sollen sie auch. Klar, am Ende entscheide ich – ich muss ja auch dafür gerade stehen und ich muss mir die Kritik anhören wenn es nicht gut ist. Es kam aber noch ganz viel aus der Band, was aufgenommen wurde und was die Musik bestimmt verbessert hat.
Und dann, wenn man wirklich beim Aufnehmen ist – du warst ja auch einmal kurz dabei, ich weiß nicht, wie dein Eindruck war – es war eine unglaublich konstruktive Atmosphäre und wir haben unheimlich viel geschafft. Wie es immer ist, es gibt Stücke, die spielen sich halb von alleine und an anderen wird richtig viel gearbeitet und in diesem Fall waren zwei dabei, die uns richtig geärgert haben. Nicht weil man sich dauernd verspielt hätte, sondern weil man merkt: das funktioniert noch nicht richtig. Da muss man am Arrangement noch etwas feilen, basteln, etwas anders einstellen – hierhin, dorthin schieben. Und da kommt eben wieder die Qualität der Musiker ins Spiel: dass auch bei Änderungen im Studio ganz schnell ein richtig gutes Ergebnis da war.
Von den paar Minuten, die ich im Studio verfolgen konnte kann ich es nur bestätigen – die Atmosphäre war entspannt und spielfreudig.
Ja – ich habe mittlerweile schon eine Handvoll CDs eingespielt und es gibt verschiedene Situationen im Studio. Jemand bezahlt ja viel Geld für die Aufnahmen, ein Studiotag kostet richtig Geld und in dem Moment, wo nichts vorwärts geht, ist das einfach eine schwierige Situation, manchmal kann es richtig heikel werden und Spannungen entsteehen – eine solche Situation hatten wir bei „Fables & Fiction“ eigentlich nie.
„Konstruktive Spannung“ könnte vielleicht auch nützlich sein?
Stimmt, aber das ist nicht mein Weg.
Du hast in der Hinsicht auch ein „schlechtes“ Instrument – ein Sopransax oder noch einfacher ein Drumstick wären bei einem cholerischen Bandleader schnell mal geworfen…
…deshalb sitzen die Drummer im Studio auch in Kabinen!
Kann man seine eigene Musik, seine CD nach einiger Zeit überhaupt noch hören? Du hast ja schon im Produktionsprozess die Titel zig-fach gehört.
Beim Schreiben ist natürlich noch alles toll. Es ist komplett frisch, in den Proben auch, da passiert noch sehr viel – im Studio ist es hoffentlich auch noch frisch – und in diesem Fall ist es vielleicht ein Vorteil, wenn man nicht so viel probt. Danach wird es eng beim Mischen, finde ich. Man nimmt sich zwar schon 1-2 Wochen Abstand zur Aufnahme aber ich muss zugeben, dass ich der Dinge dann doch recht schnell überdrüssig werde. Ich höre meine Platte dann auch nicht mehr an. In Vorbereitung auf die Konzerte natürlich schon. Das zieht sich für alle anderen Platten so durch, die ich eingespielt habe. Es sind eben Momentaufnahmen. In zehn Jahren werde ich die CDs sicher wieder gern aus dem Regal ziehen aber momentan hat man alles so oft gehört, es gibt keine Überraschungen mehr.
Viel spannender ist es an den Stücken selbst neue Facetten zu entdecken und das sollte live passieren.
Eine dieser Live-Gelegenheiten ist natürlich euer Konzert bei Enjoy Jazz. Das offizielle CD-Release Konzert in der Alten Feuerwache Mannheim.
Darauf freue ich mich sehr, am 16. Oktober ist es soweit. Auf einem Festival wie Enjoy Jazz zu spielen ist natürlich ein Hochamt für jeden in der Band. Und ich freue mich doppelt, weil es dazu eine Art Heimspiel für mich ist: In der Feuerwache habe ich ja auch schon zig Konzerte als Student gespielt und nun das zweite Mal im Rahmen von Enjoy Jazz.
Ich wünsche euch viel Spaß. Vielen Dank für das Gespräch und viel Erfolg bei allen deinen Projekten in der Zukunft.
Die aktuelle CD von Daniel Prandl: „Fables & Fiction“
Daniel Prandl – Fables & Fiction
Jazz’n’Arts
Erhältlich über die Website von Daniel Prandl.