Stuttgart. Man hätte ja auch Bill Clinton als Tenorsaxofonisten verpflichten können und einen mächtigen Medienrummel sowie eine prächtige Publikumsresonanz erzielt. Der Regisseur und Schauspieler Woody Allen erlangte seine Weltberühmtheit gleichfalls nicht durchs Musizieren. Immerhin pflegt er sein Hobby seit Jahrzehnten mit Inbrunst und geht damit in New York immer wieder Montags an die Öffentlichkeit. Im Stuttgarter Theaterhaus startete der 68-Jährige eine Europa-Tournee, bei der anschließend jeweils noch ein Auftritt in Berlin, München, Spanien und Monaco auf dem Plan stand.
Rückblende, New York Anfang August 1979: Weniger eingefleischte Jazzfans als Zelluloidstreifenenthusiasten, die einmal hören wollen, wie der „Großstadtneurotiker“ sein „Innenleben“ in „Manhattan“ auf der Klarinette musikalisiert, warten vor „Michael’s Pub“. An der Türe postiert ist ein grimmig dreinschauender Wachpolizist, der Restaurantmanager schnauzt ziemlich ruppig die Einlasswilligen an. Aufstellung in zwei Reihen. Rechts diejenigen, die zu dinieren gedenken, links diejenigen, die nur etwas trinken wollen. Eine halbe Stunde dauert es, bis man endlich aus dem Regen und in „Michael’s Pub“ ist. An diesem Abend dürfte das Pub wieder das bestbesuchte Jazzlokal New Yorks sein. Viel Gedränge, und aus etwa zwanzig Meter Entfernung kann ich den Bandstand ausmachen: eine Dixielandband in orthodoxer Besetzung. Unter dem Sousaphon hockt Woody Allen mit seiner markanten Brille, verträumt, und bläst eine normale Oldtime-Klarinette schön singend, rein im Ton, aber technisch nicht besonders aufregend. Ein langsam genommenes „When The Saints“ zelebriert er mit seiner Altherrenmannschaft, zu einem virtuosen „Wild Cat Blues“ hätte dem Mann von „What’s New, Pussycat“ wahrscheinlich nicht gereicht.
Auch im Stuttgarter Auditorium befanden sich etliche Kollegen aus der Film- und Fernsehbranche: Tatort-Kommissar Bienzle alias Dietz-Werner Steck, Kameramann Justus Pankau und Kabarettist Christoph Sonntag beispielsweise. Absolute Meisterleistungen im musikalischen Metier konnte und wollte man von Woody Allen nicht erwarten – aber er schlug sich wacker.
Sein Klarinettenton wirkt mittlerweile eher schroff und zickig, oft piepsig und mit überzogenem Vibrato. Melodisch ergeht sich Woody Allen gerne in abwärtsgeführten Akkordbrechungen, bringt einfach strukturierte Sequenzen und verziert artgemäß das vorgegebene Themenmaterial. Eine heile Musikwelt voller Harmonie. Wenn ihm aus Unachtsamkeit zuweilen schrille Quietscher herausfahren, ist dies eben Künstlerpech. Mit seinem linken Bein stampft er hart das Metrum mit und erfreut sich introvertiert der New-Orleans-Nostalgie. In alter Stomp-Manier bläst er marschmäßig „gerade“ Achtel – keine Leichtigkeit des „swing“-Seins im Triolen-Feeling. Bei wehmütigen Balladen knallt er den Ton meist mit einem Sforzato heraus und lässt diesen mit geräuschhaften Luftstößen enden.
Dem New-Orleans-Stil gemäß umrankt Woody Allens Klarinette im polyphonen Geflecht mit der Posaune die von der Trompete vorgegebene Hauptstimme. Der Weltstar gibt sich im musikalischen Kontext gleichberechtigt und bescheiden. Geradezu stereotyp werden in stets gleicher Reihenfolge die größtenteils vorgefertigten Soli der drei Bläser abgespult. Nach Jerry Zigmont, der auf der Zugposaune vielfach mittels Dämpfer seinen Sound variiert, kommt der ebenfalls recht hot intonierende Trompeter Simon Wettenhall an die Reihe. Besonders herzlichen Beifall erhält dann jeweils Woody Allen, der als Klarinettist eben nicht so kreativ und innovativ wie als Filmmensch ist. Der Banjo-Spieler Eddy Davis fungiert bei „Woody Allen And His New Orleans Jazz Band“ als musikalischer Direktor und gibt noch einen humorvollen Sänger ab. Am Piano nur wenig zu hören ist Cynthia Sayer, die eigentlich eine bemerkenswerte Banjo-Zupferin ist und perfekte Vokalqualitäten besitzt. Treu im Hintergrund vollführt Conal Fowkes seine Bass-Linien und der durch eine schalldämmende Plexiglasscheibe akustisch separierte Schlagzeuger Robert Garcia, der schon mit den Free-Jazzern Joseph Jarman und Myra Melford kooperierte, darf nicht einmal ein Solo von sich geben.
Im Repertoire hat die Band etliche „Traditionals“ Einen Erkennungsbeifall spendet die deutsche Zuhörerschaft, als es nach militanten Fanfarenrufen der Trompete vermeintlich die Melodie von „O Tannenbaum“ zu vernehmen glaubt. Doch in den USA werden mit diesen Noten nicht grüne Blätter des weihnachtlichen Nadelholzes besungen, es handelt sich dort vielmehr um die offizielle Hymne des Bundesstaates Maryland. „Down By The Riverside“ wird vermengt mit “Gloryland” und “Glory Hallelujah”, leicht zu identifizieren auch der “St. Louis Blues“.
In seinen wenigen Ansagen verteilt der am 1. Dezember 1935 geborene Allen Stewart Konigsberg die üblichen Nettigkeiten ans Publikum und gewährt – trotz offensichtlichem Reisestress auch im Privatjet – mehrere Zugaben. Woody Allen hat die Musik mindestens so viel Spaß bereitet wie dem Publikum – obgleich man dies der stoischen Miene des Mimen nicht ansieht.
In Stuttgart kostete eine Konzertkarte für die erste Reihe 95 Euro, in München waren hierfür gar 248 Euro zu berappen. Kostenfrei kann man Woody Allen und sein antikes Jazz-Septett jederzeit und allerorten im Internet sehen und hören: www.woodyallenband.com