Zu bewundern sind die eleganten Linien, die mühelose Logik und der inspirierte Ton seines Trompetenspiels. Till Brönner, Liebling und Sunnyboy nicht nur des Jazzpublikums in Deutschland, steht auf der Bühne des Rüsselsheimer Theaters, beginnt „In your own sweet way“, ein Stück für den Trompeten-Lyriker Chet Baker, zart und verhangen, spielt mit gestopfter Trompete auf einem Sound-Teppich von Flöten, Klarinetten und gestopftem Blech. Leicht aufgeraut ist sein sanfter Ton in der Ballade „Where do you start“. Dann wechselt er in ein kraftvolles Spiel mit Bebop-Phrasierung über, improvisiert treibend über „On the street, where you live“ aus „My fair lady“. Berührungsängste kennt der junge Musiker des Jahrgangs 1971 nicht. Standards sind „sein Ding“. Ihnen gewinnt er mit personalem Stil und unverwechselbarem Ton bemerkenswerte Expressionen ab.
Die Perfektion seines Spiel ist nicht unumstritten. Zu glatt und ohne Kanten seien seine Soli, sagen Kritiker. Das Rüsselsheimer Konzert im Rahmen des Rheingauer Musikfestivals belegte, dass Brönner in schnellen Themen durchaus eine aufregende Hard-Bop-Trompete blasen kann. Und an diesem Abend tat er dies erfreulich oft, ebenso wie er erfreulich selten sang. So wenig wie er trotz tonlicher Verwandtschaft Chat Bakers Instrumentalstil imitiert, so wenig hat seine Stimme mit Chat Bakers Gesang gemein. Bei gleicher vibratoloser Sanftheit bietet sie zwar mehr Boden und Fülle – aber Till Brönner ist eben ein weitaus besserer Trompeter als ein Sänger.
Hinter dem elegant und dennoch kraftvoll, lyrisch und zugleich expressiven spielenden Till Brönner groovt eine Big-Band, die mit sattem Sound und bestechenden Soli kongenialer Partner des Trompeten-Stars ist. Zwar blieb in „Nobody else but me“, das Tenorsaxophon-Solo zu flau für den ummantelnden Big-Band-Klangkörper, stimmte in zwei oder drei Stücken auch mal das Timing für die Satzarbeit nicht auf dem Punkt, aber solche Kleinigkeiten gingen in dem Powerplay der vielen hervorragenden Arrangements von Jörg Achim Keller (Leiter der hr-Big-Band und an diesem Abend Schlagzeuger des Kölner Orchesters) unter. Mit großer Gestik hatte Wieland Reissmann die 17 Musiker an der Kandare, auch wenn sie, gleichsam einem Running Gag, meist auf die letzte Sekunde vor ihren Soli an die Frontmikrophone spurteten.
Das Publikum im ausverkauften Theater feierte Brönner und die Big Band frenetisch und erzwangen schließlich noch eine Zugabe des Trompeters in intimer Quartett-Besetzung. Ein würdiger Abschluss eines mitreißenden Konzertes.