Fotografien: Hans Kumpf
Das Jugendjazzorchester Baden-Württemberg hatte gerade ein paar Stunden existiert, als am Ende der zweiten Gesamtprobe aus berufenem Munde ein großes Lob kam. „Das ist ein sehr guter Anfang“, sagte da der Jazz-Professor Jiggs Whigham, der von Köln zur Musikakademie Trossingen angereist war. Sicherlich wagte damals im April 1981 der amerikanische Posaunist kaum zu träumen, dass die schwäbischen und badischen Jazztalente noch eine überaus imposante Karriere machen sollten.
Mittlerweile unternahm nämlich die jugendliche Jazzelite des Musterländles mehrwöchige Tourneen in über 20 Länder Ost- und Westafrikas und konzertierte u.a. in Indonesien, Thailand, China, Russland, Malta, Litauen, Ecuador, den Philippinen und auch in Spanien und Frankreich. Schallplatten, Rundfunk- und Fernsehaufzeichnungen zeugen ebenfalls von der beeindruckenden Aktivität des Klangkörpers. 1979 wurde in Baden-Württemberg vom Landesmusikrat erstmals der Wettbewerb „Jugend jazzt“ durchgeführt, dessen Konsequenz auch die Gründung eines Landesjugendjazzorchesters war – nach dem Vorbild einer entsprechenden Einrichtung in Nordrhein-Westfalen. Der Saxophonist und Komponist Bernd Konrad, inzwischen Professor an der Stuttgarter Musikhochschule, war seit Anbeginn dabei, zunächst lediglich als Dozent der Saxophonisten, später dann als dirigierender Chef. Schon einige Jung-Jazzer-Generationen hat er mit Orchesterdisziplin und individueller Kreativität vertraut gemacht und ihnen somit den Weg ins heiß umkämpfte Profi-Lager geebnet.
Als 1987 das mit „BuJazzO“ opernhaft abgekürzte Bundesjugendjazzorchester ins Leben gerufen wurde, hatten sich für die die allererste Ausgabe der nationalen Spitzenband alleine aus Baden-Württemberg elf Jazzer qualifizieren können: wahrhaftig eine Bestätigung für die (damalige und gegenwärtige) gute Jazzarbeit im Südweststaat.
Dem Erfolg ging und geht harte Schufterei und viel Üben voraus. Zunächst müssen die hoffnungsfrohen Musikanten ein Vorspiel absolvieren und bestehen. Das Beherrschen des Instruments, das Vom-Blatt-Spiel, eine Improvisationsgabe und das „swing“-Gefühl sind hierfür nötige Voraussetzungen. Die Altersobergrenze wurde inzwischen von 21 auf 25 Jahre angehoben. Jeweils in den Oster- und Herbstferien findet eine einwöchige Arbeitsphase statt – vornehmlich auf Schloss Weikersheim an der Tauber.
Die Krönung der Plackerei sind freilich die Konzertreisen. Nachdem man sich in der Heimat vor Eltern, Verwandten und Bekannten präsentiert hat, darf die swingende Kunst auch in fernen Landen vorgeführt werden.
Im Frühjahr 1986 begannen die weltumgreifenden Aktivitäten des Landesjugendjazzorchersters Baden-Württemberg mit einer Ostafrika-Tournee: 17 Flüge, 21 Konzerte, enormer Erfolg, unauslöschliche Eindrücke, euphorische Stimmung. „Mutter Afrika“ zeigte den erfahrungsdurstigen Musikern rhythmische Wurzeln des Jazz. Bereits ein Jahr später zogen die Jungjazzer wiederum zum Schwarzen Kontinent. Diesmal wurde der – musikalisch interessantere – Westen besucht. Freilich konnten da die Deutschen nur wenig unverfälschte Folklore erleben – Rock und Pop bestimmen besonders in Nigeria den Musikmarkt.
1988 wurde Ostasien bereist, und 1989 war Spanien angesagt. 1990 hielt sich das Orchester in Indonesien auf und war vermutlich die erste Big Band, die auf der Insel Bali jazzte. Aus „23 orangs“ bestehe der Klangkörper vermeldete die dortige Presse – also aus 23 Menschen. Ein andere Gazette berichtete (orthographisch verunstaltet) über die „grup musik jazz pimpinan Benad Koorrad“. Jahre später beteiligten sich die Baden-Württemberger beispielsweise bei den Festivals von La Valletta (Malta) und Kaunas (Litauen). Zur Tortour mit überlangen Busfahrten geriet die Tour im Mai/Juni 2009 durch Ecuador. Bequemer war da ein Jahr zuvor der Kurztrip nach Abu Dhabi, wo die Youngsters im fünfsternigen Hilton-Hotel logierten und für den damaligen Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier aufspielten, nachdem jedem einzelnen Bandmitglied nach der swingenden Performance an der Universität von einem Professor eine quasi akademische Urkunde überreicht worden war. Gefördert und organisiert wurden die aufwendigen Unternehmungen in der Regel von den Goethe-Instituten und von den Deutschen Botschaften vor Ort. Ansonsten sorgen das Land Baden-Württemberg und der bundesrepublikanische Musikrat finanziell für die Nachwuchsband.
Einstige Mitglieder des Jugendjazzorchesters Baden-Württemberg haben sich längst auf der nationalen und auch auf der internationalen Szene einen Namen gemacht. Zunächst seien da die professoralen Saxophonisten Steffen Schorn und Klaus Graf genannt. Auch der umtriebige Bassist Mini Schulz hat es zu einer ordentlichen Professur gebracht. Andere bedeutende Instrumentalisten sind beispielsweise die Brüder Gregor und Veit Hübner sowie Hubert und Ludwig Nuss, die Trompeter Michael Studnitzki, Ralf Hesse, Thorsten Wollmann, Claus Stötter, Achim Rothe, Axel Schlosser, Ingolf Burkhardt, die Saxophonbläser Libor Sima, Magnus Mehl, Jochen Feucht, Carsten Netz, Peter Lehel, Katie Brien, Regina Büchner, die Pianisten Tobias Becker, Olivia Trummer…
An stilistischer Vielseitigkeit mangelt es der Großformation nicht. Stücke aus dem Count-Basie-Repertoire wie „Hay Burner“ und „It’s Oh, So Nice“ gehören zur Swing-Pflicht, und Konrad-Kompositionen wie „Handwork“ und „The Whale“ sind sozusagen progressive „Kür“. Daneben gelangen immer wieder Werke von talentierten Arrangeuren aus den eigenen Reihen zur Aufführung. Wie das „BuJazzO“, so hat sich auch das Jugendjazzorchester Baden-Württemberg eine agile Vokalgruppierung zugelegt, was gewiss einen Popularitätsgewinn bewirkt.
Bei den Mark-Taylor-Titeln „Brass Machine“ und „How Sweet It Is“ geht’s so richtig rockig los, wie auch auf der Sampler-CD „All The Way – 30 Jahre Jugend Jazz Orchester Baden-Württemberg“ nicht zu überhören ist. Das obligatorische Geburtstagsständchen in eigener Sache wird die baden-württembergische „Landjugend“, wie die Big Band von den groovenden Kids genannt wird, sich an Ostern bei den Internationalen Jazztagen im Stuttgarter Theaterhaus zelebrieren. Nach einem Bewerbungsvorspiel am 12. März in Allensbach und einer knappen Probenwoche vom 18. bis 22. April in der Bildungsstätte Lindenberg im Allgäu wird da ein total „runderneuerter“ Klangkörper zu hören sein. Nach wie vor fungiert Marie-Luise Dürr (Tuttlingen) als organisierende Managerin des Elite-Ensembles.