Beim diesjährigen Weihnachtskonzert der Big Band Schwäbisch Hall übernimmt die Leipziger Posaunistin Antonia Hausmann das Gastdirigat. Davor beantwortete die 32-Jährige bereitwillig Fragen.
Zukünftig wird die Haller Big Band projektbezogene Dirigenten anheuern. Nachdem der Saxophonist Andi Rapp wiederholt das Orchester erfolgreich geleitet hat, konnte nun die 1990 geborene Antonia Hausmann aus Leipzig dafür gewonnen werden. Als „pfiffig und nett“ bezeichnet der erfahrene Bassist Hansi Speidel die vielseitige Künstlerin. Hans Kumpf interviewte sie vor dem für den 18. Dezember angesetzten Doppelkonzert im Globe-Theater.
Wie kam der Kontakt zur Haller Big Band zustande?
Der Kontakt zur Big Band kam über die Posaunistin Kristin Seyboth zustande. Sie ist schon seit einer Weile meine (Online-)Schülerin und hatte die Idee, die Big Band und mich miteinander zu connecten.
Kanntest Du zuvor die Stadt Schwäbisch Hall?
Ich habe Kristin bereits schon zwei Mal in Schwäbisch Hall besucht und nach dem Unterrichten eine kleine Stadtführung von ihr bekommen.
Wer waren Deine Vorbilder auf der Klarinette?
Benny Goodman, Giora Feidman, John Ruocco, Claudio Puntin, Gioseppe Solera,
Und Deine Idole auf der Posaune?
Jiggs Whigham, Nils Wogram, Carl Fontana, Bob Brookmeyer, Rita Payés, Jimmy Knepper,..
Der amerikanische Posaunist Jiggs Whgiham war ja Deutschlands erster Jazz-Professor. Er leitete anfangs das Landesjugendjazzorchester Baden-Württemberg und blieb ihm eng verbunden – auch der Haller Tobias Scheibeck lernte von ihm. Du spieltest unter Jiggs im brandenburgischen Jugendjazzorchester. Welche speziellen Erfahrungen hast Du bei ihm gemacht?
Das stimmt, ich durfte einige Jahre im LaJazzo Brandenburg spielen und sogar auf Big Band Tour nach Finnland und in die USA mitfahren. Dort haben wir vor einer Konzerttour sogar noch einen einwöchigen Workshop besuchen dürfen, wurden u.a. vom Bassisten John Clayton geleitet, während Jeff Hamilton am Schlagzeug saß!
In der Combo von Multiinstrumentalist Wycliffe Gordon bin ich auch noch gelandet. Danach haben wir in Seattle, Oakland, Santa Barbara, usw. gespielt und sind als Band sehr zusammengewachsen. Das waren schon drei sehr aufregende Wochen!
Spezielle Erfahrungen lassen sich für mich gar nicht so konkret festhalten, außer unglaublich viel lernen und eintauchen dürfen. Das war immer sehr besonders mit Jiggs, viel „magic“ im Raum, wenn er eingezählt oder selbst gespielt hat…
Das Stück „Walkin Tip Toe“ habe ich bei Jiggs kennen und lieben gelernt, deshalb war meine Freude riesig, als ich es im Repertoire der Hall Big Band entdeckt habe!
Du bringst nach Hall zwei eigene Kompositionen mit. Kannst Du diese näher beschreiben?
Das ist richtig, die erste Komposition heißt „Teleidoscope“ – so wie der Titel meines Debütalbums, welches im April 2022 veröffentlicht wurde. Ein Teleidoscope ist ein optisches Spielzeug, ähnlich wie ein Kaleidoskop.
Ich mochte diesen Blick durch das Rohr und die gebrochene Linse sehr für meine Musik und das Album. Je nachdem wie das Licht durch die Linse fällt/wie das Umfeld aussieht, so verändert sich auch der eigene Blick, die Perspektive. Äußere Einflüsse in die eigene Wahrnehmung aufnehmen, immer wieder neu formen, so wie im Kleinen. Ich spiele dieses Stück an unterschiedlichen Orten, mit verschiedenen Musikern und Musikerinnen und lerne es immer wieder neu kennen. So auch im erweiterten Sinn, denn ich wollte gern andere Künstlerinnen und Künstler zum Dialog einladen und nicht „einfach nur“ ein Debütalbum rausbringen. So konnte ich eine Illustratorin gewinnen, Bilder zu verschiedenen Stücken von mir zu gestalten, einen Autoren, der Kurzgeschichten zu drei Kompositionen geschrieben hat, einen Videokünstler, der ein Video zu einem Stück gefilmt hat, ein Arrangeur, der meine Quartettmusik für Big Band arrangiert, usw..
Das zweite Stück heißt „It’s all yours“ und hat es leider nicht aufs Album „geschafft“, umso größer ist nun die Freude, sozusagen eine doppelte Uraufführung spielen zu dürfen. Zum ersten Mal das Stück live, zum ersten Mal als Big Band Arrangement.
Beim baden-württembergischen Landesjazzfestival trat Anfang Oktober die bayrische Jazzrausch Big Band in Hall auf. Wie verlief Deine Kooperation mit diesem Orchester?
Die Band, bzw. der Leader Roman Sladek hat mich 2017 mal für drei Konzerte mit der Jazzrausch Bigband angefragt. Das schien ihm Spaß gemacht zu haben, und dann kam bald darauf die Anfrage für eine dreiwöchige Chinatour 2018 in mein Postfach geflattert. darüber habe ich mich sehr gefreut, und es war eine erlebnisreiche großartige Zeit und Erfahrung für mich. Ein Stück meines Albums ist auch dort, in Beijing, entstanden.
Welche Erlebnisse auf der gemeinsamen China-Tour 2018 bleiben für Dich unvergesslich?
Puh, das ist eine schwierige Frage, denn wir hatten viele tolle Momente miteinander. Wir standen die drei Wochen während unseres Aufenthalts so gut wie jeden Abend zusammen auf der Bühne, wodurch sich die Musik und das Zusammenspiel super entwickeln und formen konnte. Aber auch tagsüber, wenn wir gemeinsam unterwegs waren und viele Eindrücke sammeln durften. Es fällt mir schwer, da einzelne Augenblicke besonders zu erwähnen, aber die Stimmung und Erinnerung an die Zeit hört man vielleicht in dem Stück.
Du spielst ja viel in kleinen Besetzungen. Was fasziniert Dich an Großformationen?
Ich finde diesen großen Klangkörper einfach ganz wundervoll und großartig. Der Zusammenhalt, das gemeinsame Spiel und das Phrasing, welches es braucht, um so eine große Band zum Klingen und Schwingen zu bringen, ist sehr wichtig – das sich der Musik unterordnen, dem Satzspiel, aber auch einzelne Solisten und Solistinnen hervorzuheben. Ich bekomme da oft Gänsehaut, vor allem bei gut ausgearbeiteter Dynamik, wenn es leise schwingt, alles warm klingt, oder laut strahlt und der Blechsatz „brezelt“…
Hast Du in punkto Big Band irgendwelche Favoriten?
Ed Partyka, Sunday Night Orchestra, Duke Ellington, Count Basie, Gil Evans, Maria Schneider, Brussels Jazz Orchestra,..
Fasziniert Dich eher der lyrische Gil Evans oder ein Stan Kenton mit seinem Powerplay?
Ich bin schon ein großer Gil-Evans-Fan.