Es ist müßig, danach zu forschen, was bei Vitold Rek Ursache und Wirkung sei: Der Jazz oder die Folklore seiner Heimat Polen. Gewiss, er hat durch den Bassisten Ray Brown zum Jazz gefunden, dennoch stets die Liebe zu den ethnischen Wurzeln bewahrt. Seine „Polish Folk Explosion“ ist in dieser Hinsicht unvergleichlich und schon der Titel der jüngsten CD „Home“ spricht für sich. Beim Gemeinschaftskonzert des Jazzclubs Rheinhessen und der Wormser Jazzinitiative BlueNite konnten sich die begeisterten Zuhörer davon überzeugen, dass die Spurensuche Vitold Reks in den Volksmusiken Europas in eine zeitlos schöne Verbindung von Jazz und Folklore einmündet. Er transferiere Jahrhunderte alte Musik in die musikalische Gegenwart, sagt der aus Galizien stammende Bassist – und dies ist ihm sowie seinen beiden musikalischen Scouts beeindruckend gelungen.
„East West Wind“ nennt Rek Trio und Programm. Dies zeigt die Richtung an, in der Wind weht. Und so hat Rek in sein Programm Volksweisen aus Polen, Griechenland, Schottland sowie Klezmer integriert. Mit seinen Bearbeitungen bewahrt er stets den melodischen Kern der Traditionals, setzt sie jedoch in einen neuen harmonischen Rahmen bis hin zur fast avantgardistischen Verfremdung sowie auf einen swingenden bis exotisch-rhythmischen Untergrund. Zu verdanken sind diese spannenden sowie überraschenden sowie zugleich vertrauten Sounds der Instrumentalisierung mit indischer Percussion, Klezmer beeinflussten Akkordeon sowie Kontrabass und Mandoline.
Aus Griechenland stammt „Cosmo“, das Jaroslaw Bester mit den Bässen des Akkordeons einleitet, beschwingt und tänzerisch, während Rek mit dem Bogen hohe Schleiftöne einfügt, zu einem gezupften Solo in erdigen Basslagen über den Ostinato-Melodiekürzeln des Akkordeons wechselt, den Bass in einem zweistimmigen Duo fast wie eine Geige schluchzen lässt. Getragen und balladesk hebt der polnische „Sheppard´s Song“ an, Percussionist Ramesh Shotham wechselt von den indischen Trommeln zur sanften Besenarbeit auf großen und kleinen Becken, greift schließlich zum Tonkrug „Ghatam“, während Rek kraftvoll mit zahlreichen harmonischen Wendungen über einem flächigen Soundteppich des Akkordeons auf dem Bass ein Solo zupft und streicht. Nahezu wie ein Up-Tempo-Stück wirkt das folgende „Fellow“ mit dem Bass-Solo über den Ostinati des Akkordeons und gestützt von den erstaunlich tiefen Rhythmus-Pattern der kleinen südindischen Rahmentrommel. Vitold Rek kann den Kontrabass straight marschieren und erdig grummeln lassen, reizt andererseits im Bogenspiel die Klangfarben des großen Instruments aus, findet in den Tiefen und den High-Notes Ausformungen, wie sie selbst in der modernen E-Musik selten sind. In kurzen Passagen fasert das Trio-Spiel zu einem freien Crenscendo aus.
„Scottish Scott“ erklingt im Walzertakt, später greift der Bassist zur Mandoline, die er ganz ohne volkstümelnde Peinlichkeiten virtuos spielt. Wie komplex und vielschichtig, mit abgestufter Dynamik, Stakkati auf den Bass- und rasenden Läufen auf den Diskantknöpfen, harmonisch zwischen der Klezmer-Tradition und dem freien Jazz pendelnd, auf dem Akkordeon improvisiert werden kann, belegt Bester in seinem Solostück „Emotions“, das mit emotionaler Tiefe und Inbrunst dem Titel gerecht wird. Mit flinkfingrigem Spiel auf Trommeln, Holztrommel, auf Becken und mit Rasseln verbindet Ramesh Shotham indische Percussionsvirtuosität mit jazziger Phrasierung und scattenden Vokalisen.
Bei „East West Wind“ überwiegt der folkloristische Charakter, macht sich die jazzige Improvisation untertan. Manchen Puristen mag dies stören, der Schönheit und der Qualität dieser Form der Worldmusic schadet dies indessen nicht im geringsten. Die Musik ist melancholisch und fröhlich zugleich, ebenso getragen balladesk und wie percussiv rhythmisch.
CD-Tipp: Vitold Rek & East West Wind: Home, Taso Music Production TMP CD 515