Verrücktes Huhn mit Schweinsohren im Haar – Erika Stucky im Jazzclub Porgy & Bess, Wien

Zwischen Barockensemble und Baustellen-Poesie

Auf der einen Seite der Bühne: FM Einheit, der mit seinen Baustellen-Werkstatt-Utensilien optisch brachial daherkommt und sich später als sensibler Industrial-Poet, auch mit Hang zu Electronica am Laptop, entpuppt. Er zaubert facettenreiche Geräusche, Klangminiaturen und setzt optisch staubige Akzente. Auf der anderen Seite das Barockensemble La Cetra aus Basel, dessen Spezialität Musik vom 17. bis 19. Jahrhundert ist, und das sich – nicht nur – als ganz vortreffliche Begleitung bei Cole Porter Balladen entpuppt.

Stuckys Vater, ein Metzger, ist der thematische Anker des Bühnenprojekts, und so bindet Stucky sogar dem Chef des Porgy & Bess, Christoph Huber, für die Ansage die Metzgersschürze um. “Stucky con Carne” – Stucky mit Fleisch. Fleisch und Fleischeslust im weiteren Sinne wird aus einem multimedialen Füllhorn über den berührten und amüsierten Zuhörern und -schauern ausgeschüttet. Mit Visuals – bei denen la Stucky mit ihrer Schweinsohrenkrone als Schlagschatten zur Miss Liberty im Bühnenhintergrund wird. Sie kontert das starke Bild sogleich mit der Geschichte der müffelnden Schweinsohren und schildert – sich selbst nicht allzu ernst nehmend – die vergeblich ausprobierten olfaktorischen Gegenmaßnahmen.

Erika Stucky - Photo: Schindelbeck

Ein Geheimnis von Stuckys Bühnenpräsenz: bei aller Ernsthaftigkeit des Programms wird Alles von Erika Stuckys immer präsentem Schalk im Zaum gehalten, sie kann sich selbst auf den Arm nehmen. Gefilmte Familiengeschichten, Jazzballaden, Songs von Randy Newman bis Beatles und eben mittendrin: Stucky, das Schweizer Musik-Performance-Gesamtkunstwerk. Eine opulente Veranstaltung, gelegentlich durchaus im Kitsch suhlend, die alle Musiker auf der Bühne wunderbar – und sichtbar begeistert – mit einbezieht

Nicht auszudenken, wenn auch noch der auf Platte zu hörende Countertenor Andreas Scholl auf der Bühne gewesen wäre: das Publikum hätte beim abschließenden “Ev’ry time we say goodbye” vermutlich geweint.

| Eine Bildergalerie des Konzerts auf www.jazzfotografie.de

 

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