Stephan Völker „Triolog“: Bruders Reise, Jazzfabrik Rüsselsheim, 3. Dezember 2014

Stephan Völker - Photo: Mümpfer

Text & Fotografie: Klaus Mümpfer 

„Immer wieder habe ich meinen Bruder Klaus nach seinem Tod gehört. Irgendwann war mit klar, dass ich Musik daraus machen muss“, hat Stephan Völker einmal gesagt. Jetzt stellte der Saxophonist mit dem Bassisten Christian Spohn und dem Schlagzeuger Max Sonnabend in der Rüsselsheimer Jazzfabrik „Triolog – Bruders Reise“ als  Ergebnis dieses Entschlusses vor. Es ist die erste CD Völkers mit Musik, die trotz der wenigen Ausflüge in die Nähe des freien Spiels und der Post-Bebop-Anklänge in der Grundhaltung eher romantisch klingt und sich dem Wohlklang verpflichtet fühlt.

Mal melancholisch, mal wütend, mal fröhlich und optimistisch ist die Musik im Konzert und auf der CD und damit voller Witz und Weisheit. Der Saxophonist erzählt in Noten von gemeinsamen Erlebnissen mit seinem nach einem Unfall schwer behinderten Bruder, von dessen Reaktionen und Gefühlen. Mit „Hau ab“, habe sein Bruder unwirsch reagiert, wenn er aus der Mittagsruhe geweckt wurde, erzählt der Musiker dem Publikum. So beginnt auch das Stück mit einem expressiven Solo auf dem Saxophon, das allerdings bald zu Ostinati und fließenden Läufen wechselt. Spohn zupft eine melodische und zugleich erdig-trockene Linie auf seinem Kontrabass und auch der präzise und einfallsreiche Drummer Sonnabend hat seine Trommeln melodisch gestimmt.

„Triolog“, so hat Völker seine Formation genannt, steht solide im Mainstream. Die Zuhörer in der gut besuchten „Jazzfabrik“ hören immer wieder vertraut klingende Harmoniefolgen und Melodiefragmente in den Dutzend Eigenkompositionen des Rüsselsheimer Saxophonisten. In dem Werk „Wohin dann“ spielt das Trio aufsteigende Linien, die die Fragemelodie assoziieren, „In Gedanken viel weiter“ beginnt geradezu klassisch mit einem gestrichenen Solo auf dem Bass, „Ab geht´ s“ ist ein Up-Tempo-Stück mit kurzen, zerissenen Stakkati und druckvollem Schlagzeugspiel, in „Nora das Pferd“ lässt Völker das Saxophon „wiehern“ bevor das Trio in das percussive, sanft rockige Thema einsteigt. Das Konzert endet vor der Zugabe „Eine Radtour macht Spass“ mit der einzigen Fremdkomposition, nämlich Werner Richard Heymanns 1932 für den Film „Ein blonder Traum“ geschriebenem Lied „Irgendwo auf der Welt gibt´s ein kleines bisschen Glück“ – das heiter melancholische Finale einer musikalischen Erinnerung, die nie schwermütig wurde.

Als vor zwei Jahren der Roman „Drei Worte auf einmal“ von Maria Knissel erschien, geriet Stephan Völker mit seiner Lebensgeschichte in den Blick der Öffentlichkeit. Denn die berührende Geschichte zweier Brüder, von denen einer schwer behindert einen Motorradunfall überlebt, der andere jahrelang den Invaliden bis zu dessen Tod 2009 betreut und ihm dabei zunehmend näherkommt, war seine Geschichte. Völker ließ es zu, auch intime Momente einer komplexen geschwisterlichen Beziehung vor Publikum auszubreiten. Das Buch war an diesem Abend nicht nur neben der CD auf dem Verkaufstisch allgegenwärtig.

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