Multistilistisch, intensiv und kraftvoll
Neben arrivierten Stars präsentieren der Schwäbisch Haller Jazzclub und das städtische Kulturbüro in ihrer gemeinsamen Reihe „Jazztime“ regelmäßig auch Newcomer der Szene. Jetzt spielte der Saxophonist Jan Prax in der längst säkularisierten Hospitalkirche furios auf.
Erst 23 Jahre alt und ein schon so ausgereiftes Spiel – der gebürtige Karlsruher Jan Prax, Sohn des aus Polen stammenden Diplom-Klavierlehrers Marian Prax, verblüfft Laien und Fachwelt gleichermaßen. Nicht zum väterlichen Piano der klassischen Art, sondern zum swingenden Saxophon fühlte sich das „Wunderkind“ angezogen.
Peter Lehel, Instrumentaldozent in der badischen Residenzstadt, erinnert sich: „Jan Prax hat mich schon in seiner ersten Unterrichtsstunde durch sein unglaubliches Talent und Können und durch seinen klaren Willen beeindruckt. Ich erwarte große Dinge von ihm.“ Und Professor Klaus Graf, bei dem Prax momentan in Nürnberg studiert, pflichtet superlativisch bei: „Er ist die größte Neuentdeckung der deutschen Jazzsaxophonszene der letzten Jahre!“
Beim Altsaxophon orientiert sich Jan Prax nach eigenem Bekunden in der Nachfolge des Bebop-Pioniers Charlie Parker besonders an Jackie McLean (1931-2006), beim Sopransax ist der legendäre John Coltrane sein großes Vorbild. Allerdings vermag Prax dieses Instrument nicht indisch-arabisch „näselnd“, sondern ungemein dröhnend zu spielen – früher probte der Bläser unter einer Autobahnbrücke und musste akustisch gegen den mächtigen Verkehrslärm ankämpfen. Technische Probleme existieren bei dem Jungstar keinesfalls, und da kann er wie ein alter Profi auf Emotionalität und Expressivität setzen.
Mit dem 1991 in Heidenheim geborenen Martin Sörös, der auf einen ungarischen Migrationshintergrund verweisen kann, bildet Prax die kompositorische und melodiöse Doppelspitze des Quartetts. Nach dem Studium in Nürnberg bei Martin Schrack ist Pianist Sörös nun an der Stuttgarter Musikhochschule bei Hubert Nuss gelandet. Ein fundierte Ausbildung allenthalben. Außerdem war Martin Sörös vor fünf Jahren Mitglied im Jugendjazzorchester des Landes Baden-Württemberg.
Tilman Oberbeck zupft kraftvoll seinen Kontrabass und Drummer Michael Mischl, gleichfalls bestens vertraut mit der Jazz-Tradition („talking drums“ wie bei Gene Krupa inklusive), vermag auch hiphop-mäßig rhythmisch aktiv zu werden. So rundet er die Spannweite des multistilistischen Quartetts ab.
Die zweite herbeigeklatschte Zugabe war der unverwüstliche Thelonious-Monk-Klassiker „Round Midnight“, eine Hommage auch an den einzigartigen Tenorsaxophonisten Dexter Gordon. Ansonsten offerierte die Band lauter Eigenkompositionen, beispielsweise die stimmungsvollen Balladen „Morning Dawn“, „Shade Of Autumn“ und „Lost In Memories“. Aber selbst die zunächst langsamen Nummern strotzten schließlich vor Intensität und Vitalität. Es muss ja nicht immer Schnelligkeit sein, obgleich virtuose Rasanz für das bei etlichen internationalen Wettbewerben erfolgreiche Ensemble kein Fremdwort darstellt.