Jeder Jazzhörer sollte sich gelegentlich einen Blick in die Jazzgeschichte gönnen. Vor allem im Jazz, dessen Wurzeln zeitlich noch sehr nahe liegen; der über der Erde alle möglichen Zweige aktueller Musik mal mehr, mal weniger genährt hat und der sich andererseits oft so sehr weit von seinen afroamerikanischen Wurzeln in vielen dieser Zweige entfernt hat. Oder sich im Herauspicken einer seiner Episoden in mehr oder weniger originellem Nachinterpretieren erschöpft.
Im Grunde ist „High Hat…“ ein historisches Buch, mit dessen Hauptdarstellerin, der Sängerin und Trompeterin Valaida Snow, eine unwiederbringliche Epoche wieder auflebt. Mark Miller verwebt Snows Lebensweg kunstvoll in die Zeitgeschichte und so erfährt der Leser weitaus mehr in diesem Buch als die Beschreibung ihres „farbigen“ Lebens. Das allein ist berichtenswert genug, eine musikalische Ausbildung „mitten im Leben“ ihrer Zeit, durch ihr Umfeld im Kindesalter bereits mit vielen musikalischen Show Wassern gewaschen, gutaussehend, auch „beziehungstechnisch“ eher libertinär eingestellt, wie es nicht selten in den jazzmusikalischen Kreisen der damaligen Zeit der Fall war. Und offen für Musik, natürlich. Offen auch für Neuerungen im Jazz mit einem Louis Armstrong der deutlich hörbare Spuren in ihrem eigenen Trompetenspiel hinterließ, aber auch alert gegenüber den Wünschen des Publikums. Reisefreudig und über Jahre in der Welt unterwegs, mit Um- und Abwegen.
Dass Miller seinem Sujet freundlich-kritisch gegenüber steht, zeigt sich einerseits an seinen detailfreudigen und profunden Beschreibungen ihrer Aufnahmen, die der Autor offensichtlich schätzt, und in der Darstellung ihrer Person als kraftvolle und kreative Frau, die sich im Showbusiness der damaligen Zeit als Sängerin und Trompeterin durchsetzte, jahrelang erfolgreich durch die Welt tourte – also auch ganz praktisch für ihren Lebensunterhalt zu sorgen wusste – und schon allein damit eine ungewöhnliche Lebensgeschichte aufzuweisen hatte.
Es ist ein Verdienst von Mark Miller, sich interessanter Details der Jazzgeschichte anzunehmen, die nicht unbedingt im Rampenlicht stehen, weil ihm über musikalische Betrachtungen und Einordnungen hinaus vor allem die Integration in den historischen Kontext gelingt.
Seine positiv neugierige Einstellung verstellt ihm nicht den kritischen Blick auf die Schattenseiten in Valaida Snows Lebensführung und Selbstdarstellung. Seien es die Silberbestecke aus Hotels, die sich in ihren Koffern fanden (von übereifrigen Fans dort plaziert…) oder die Entlarvung von Snows hanebüchener Geschichte ihrer mal 12-, mal 24-monatiger Haftzeit in einem Nazi-Konzentrationslager, inklusive angeblicher mit Sand und Teer verschärfter Peitschenhiebe. Diese Legende nimmt Miller mit Akribie auseinander und ordnet die Entstehung dieses Mythos (der sich bis in aktuelle Darstellungen von Snows Leben hartnäckig gehalten hat) gleichzeitig einleuchtend ein, in die damalige Zeit und die persönliche Situation Snows.
Mark Millers Buch über Valaida Snow ist ein
Glücksfall. Ihm gelingt nicht nur sprachlich ein fesselndes Buch über
die Musikern, er verbindet ihre packend erzählte Lebensgeschichte auch
mit einer unaufdringlichen Präzision bis in die kleinsten Details – die
glückliche Verbindung der Herangehensweise eines akribischen Historikers
mit der Aufgeschlossenheit eines Jazzhörers.