Ragtime Society Frankfurt beim Jazzclub Rheinhessen 16. November 2002

Das Melodiefragment aus „The Entertainer“ zieht sich wie ein running Gag durch das Konzert, bis die Ragtime Society Frankfurt schließlich die bekannte Komposition des Pianisten und Komponisten Scott Joplin aus der Wende des 19. zum 20. Jahrhunderts spielte – erst als Piano-Solo und anschließend das Band-Arrangement. Doch Joplin – auch wenn er der berühmteste der Ragtime-Musiker gewesen war – ist für die neun Musiker aus der Main-Metropole nicht der einzige, aus deren Fundus sie schöpfen. Joseph Lamb, Charles Cook, Spencer Williams, Henry Fillmore und andere werden mit ihren charakteristischen Kompositionen, in denen die Folklore der amerikanischen Neger mit ihrer Off-Beat-Rhythmik stark synkopiert in die Liedformen der europäischen Salonmusik eingebunden sowie mit Elementen der Klavier-Romantik versehen wird, ebenfalls zitiert.

Die Ragtime Society spielt nicht nur in der über die Ragtime-Bands hinaus erweiterten Besetzung der Salonorchester mit Piano, Geigen, Cello, Bass, mit Klarinette, Kornett, Posaune und Schlagzeug. Sie versucht als Chronist der Jazzgeschichte die Arrangements des weitgehend notierten Ragtime authentisch zu interpretieren. Improvisationen sind selten und nur in den „ad lib“-Passagen vorgesehen, doch die Band erlaubt sich wie in „High Society“ hin und wieder eine Öffnung hin zum späteren New Orleans Jazz – eine Gelegenheit, die sich vor allem Posaunist Harald Blöcher nicht entgegen lässt. Mit sattem, kraftvollem und gleißendem Ton des Blechs glänzt er so in dem orientalisch eingefärbten „Hindustan“ mit einem Solo, das von Klarinettist und Bandleader Klaus Pehl vielfach verzierend umspielt wird. Blöcher auf den Leib geschrieben scheint die Komposition „Lassus Trombone“ mit langgezogenen Melodiebögen und den verschmierenden Gleittönen auf der Zugposaune.

Wie ein Streichquartett geklungen hätte, wenn es zur Ragtime-Zeit als solches konzipiert worden wäre, erlebten die Zuhörer beim Konzert des Jazzclubs Rheinhessen in der ausverkauften Anhäuser Mühle in Monsheim (bei Worms) in „Pretty Baby“. Und weil „The Entertainer“ als Motto des Abends verpflichtet, bewährte sich Schlagzeuger Peter Hermann in „Ballin´The Jack“ als Sänger und Vortänzer gleichermaßen. Außerhalb der notierten Tutti-Passagen beleben die Chorusse des Posaunisten Harald Blöcher und des Kornettisten Horst Debnar-Daumler, die Soli Klaus Pehls auf der Klarinette, die Parts des Pianisten Michael Freund sowie ein seltenes Geigen-Solo von Herbert Fennel, die elegant wirkenden und präzise gespielten Rags. Eher unauffällig ohne Solo, aber solide stützend und den Klang abrundend, sind Geiger Jürgen Seeger und die Bassisten Jutta Klauer mit von der Partie. Und so spielt die Band in der klassischen Orchestrierung, wie sie die Sammlung des berühmten „Red Back Books“ aus dem Jahr 1912 vorsieht, in einer der Zugaben nochmals den „Entertainer“ – der als Komposition in diesem Dezember 100 Jahre alt wird – gefeiert von dem Publikum, das auf Einladung des Jazzclubs (in enger Zusammenarbeit mit der Verbandsgemeinde Monsheim) den Weg durch Nacht, Nebel und Regen zur Anhäuser Mühle nicht zu bereuen brauchte.

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