Nils Gessinger trat in der Haller Hospitalkirche auf


Alle Photos auf dieser Seite: Hans Kumpf 

Der Wahl-Hamburger Nils Gessinger kehrt gerne zu seinen Wurzeln zurück, geografisch also nach Schwäbisch Hall. Mit seiner Band zog der Keyboarder in der fast ausverkauften Hospitalkirche eine fulminante Show ab.

Schwäbisch Hall. Nils Gessinger findet immer wieder einen Grund, feste musikalische Feste zu feiern. 40. Geburtstag, 20-jähriges Bandjubiläum oder – wie jetzt – 40 Jahre auf der Bühne. Am 10. März 1964 wurde Nils in eine rege Musikerfamilie hineingeboren. Opa Julius Gessinger (1899-1986) war Komponist, Vater Sigvard, ein Architekt, spielte nebenbei Dixieland-Posaune und Onkel Hartmut streicht immer noch klassisch den Kontrabass und bläst – sporadisch bei den salzsiederstädtischen „Salt City Stompers“ – vehement Trompete. Kein Wunder, dass er schon als Grundschulkind in aller Öhringer Öffentlichkeit seine Klavierkünste demonstrieren durfte und damit etliches Erstaunen hervorrief. 

Nicht etwa vom Hard Bop oder gar Free Jazz fühlte sich Pianist Gessinger als Teenager und Twen angezogen, sondern vom in den 70er Jahren modischen Funk mit kantigen Rock-Rhythmen und schmachtenden Soul-Hymnen. Dieses Fusion-Faible ist ihm nach wie vor zu Eigen. Und Nils Gessinger konzentriert sich auf steckdosenabhängige Keyboards, nämlich auf das Fender-Rhodes-Piano und auf eine abgespeckte Hammond-Orgel. Der akustische Steinway-Flügel der Hospitalkirche wurde also nicht gebraucht.

Die Bläser seines Nonetts hat Nils Gessinger bestens gedrillt. Durch gewieftes Arrangieren und sattes Spiel entsteht mitunter ein regelrechter Big-Band-Sound. Nicolas Boysen (Trompete, Flügelhorn), Hans-Heiner Bettinger (Posaune), Björn Berger (Sopran- und Altsaxophon, Klarinette), Joe Ridder (Tenorsaxophon) sowie Natascha Protze (Baritonsaxophon, Flöte) legen homophon scharfkantige Einsätze mit stechenden Staccati hin. Die betagte Gessinger-Komposition „Ducks ‚n‘ Cookies“ ist ein Paradestück hierfür. Auch die Rhythmusgruppe zur Linken groovt grandios: Rüdiger Nass an der gern quengelnden Elektro-Gitarre, Arnd Geise mit „geslapter“ Bassgitarre und schlagstark Heinz Lichius am Drumset. Eine fetzende Musik mit hohem Unterhaltungsgrad allemal, akribisch konzipiert – und in ihrer Lautstärke für die kammermusikalische Hospitalkirche doch zu knallig.

Zumeist dominieren flotte Tempi, keine Chance für eine durchweg kontemplative Stimmung und für leis-lässiges Swingen. Selbst bei subtil südamerikanisch inspirierten Stücken („Pem Pem“, „Catinaccio“) kommt alsbald volle Power auf. Die meisten Improvisationen liefert der Bandleader ab, aber auch Posaunist Bettinger und die beiden Saxophonisten treten wiederholt solistisch hervor.

Als Vokalistin war nicht die Hanseatin Inga Rumpf dabei, die übrigens vor genau 45 Jahren, am 21. April 1968, mit dem populären Folk-Quintett „City Preachers“ auf der gleichen Bühne unter der mit prallen Barockengeln eingerahmten theologischen Kanzel auftrat, sondern Alana Alexander. Die New Yorker Pfarrerstochter lebt derzeit in Benningen bei Ludwigsburg und hat Gospel samt Soul im Blut. Stimmgewaltig brillierte Alana Alexander mit kräftigem Alt und klarem Sopran in großer Inbrunst. Auch Scat-Einlagen konnte sie interaktiv mit dem Tenoristen Joe Ridder einbringen. Bei all dem Traditionellen wartete Alana Alexander kurios mit einem hypermodernen Hilfsmittel auf: Ihre Songtexte spickelte sie nicht von einem irgendwo versteckten Zettel ab, sondern von einem roten Apple-Laptop. Vielleicht lässt sie sich in nicht allzu ferner Zukunft ihre „Lyrics“ auf einer Google-Brille einblenden…

Als deutscher Manager der Afroamerikanerin fungiert aktuell der Crailsheimer Gitarrist Ulrich Hoffmann, ein alter Kumpel von Nils Gessinger. Viele Anekdoten aus der gemeinsamen Sturm- und Drangzeit gab es den Freunden und Anverwandten in der alten Heimat zu erzählen. Noch drei weitere Kollegen von früher fanden sich als Hohenloher Spezial-Gäste konzertant ein: Gitarrist Horst Jäkel, Bassist Sigi Jörg und Schlagzeuger Volker Hannemann. Gemeinsam ließ man spielfreudigst wieder „Ain‘t that a Bitch“ (Johnny Guitar Watson) und „It doesn’t matter“ (Spyro Gyra) aufleben.

Als Zugabe „Downside Day“, ein von Nils Gessinger komponierter erdiger Blues. Und der Blues bleibt ja die Basis für Rock und Jazz gleichermaßen. Das ziemlich kurzfristig anberaumte Sonderkonzert der Reihe „Jazztime“ wurde vom Jazzclub Schwäbisch Hall und dem Kulturbüro der Kommune kooperativ veranstaltet. 

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