Masters of Boogie Woogie beim Jazzclub Rheinhessen, 28. April 2012

Text & Fotografie: Klaus Mümpfer

Boogie Woogie-Pianisten müssen ein wenig verrückt sein. Sie widmen sich mit Leidenschaft ein Leben lang zwölf Takten. Boogie Woogie-Pianisten müssen zudem ein wenigschizophren sein. Denn sie spielen mit zwei völlig unabhängig agierenden Händen. Die linke Hand verselbstständigt sich, weil das, was die rechte tut, viel zu kompliziert ist, als dass die Basshand noch auf sie hören könnte. Die rollenden Bässe werden oft mit stetig wiederholten Riffs und akzentuierten Patterns gegriffen. Die Rechte legt darüber die melodischen und bluesorientierten Figuren mit verzierenden Trillern sowie schnellen Notentrauben in den teilweise höchsten Lagen des Flügels. 

Beim Konzert der „Masters of Boogie Woogie“ in der nahezu ausverkauften Sängerhalle im rheinhessischen Saulheim lauschte das Publikum gleich drei verrückten und schizophrenen Musikern. Altmeister Axel Zwingenberger, der frühere Barrelhouse-Pianist Jan Luley und der junge Michael van den Valentyn spielten auf Einladung des Jazzclubs Rheinhessen solistisch, im Duo oder Trio an zwei Flügeln und improvisierten zum Finale gleich zu dritt auf einem Instrument.
„Boogie Woogie ist ein schnell gespielter Blues“, erläuterte zum Beginn des mitreißenden Konzerts Jan Luley. Was könnten die besser und einleuchtender illustrieren als der getragene und leicht melancholische „How Long Blues“, ein achttaktiger Standard, sowie der nachfolgende, schier endlose „Boogie du printemps“ aus der Feder Axel Zwingenbergers. 

Wann immer das Publikum glaubt, es seien nun alle Figuren und Variationen ausgereizt, dann schüttelte Zwingenberger verschmitzt lächelnd, weitere aus den rasenden Fingern.
Während beim Blues Stimmung und Obertöne mitklingen, wird beim schnellen Boogie das Pedal fast nie benutzt, was die Musik ein wenig metallisch klingen lässt. Dafür tappen die Pianisten auf dem vibrierenden Holzboden der Bühne. Der Rhythmus geht in die Füße, lässt die Zuhörer mitwippen. Rasende Solo-Einlagen belohnt das Publikum mit spontanem Applaus. Jan Lulay wirft dann den Kopf mit dem schwarzen Hut in den Nacken und lacht breit, Zwingenberger lächelt noch breiter und Valentyn nimmt die Gunst fast ein wenig verlegen entgegen.

Das an sich schon schwierige Spiel auf den schwarzen und weißen Tasten muss in den Duo- und Trio-Stücken zudem in „Time“ präzisiert und synchronisiert werden. Da erscheint es fast zwingend, dass die „Masters of Boogie Woogie“ gerade in den Trios vor allem improvisieren. Das erleichtert einerseits das Zusammenspiel, erfordert aber besonders sensible und souveräne Interaktionen. In „When you are smiling“ zitiert Valentyn mal kurz „Satin Doll“. Jan Luley geht in einem Medley mit Kompositionen die James „Little“ Booker, der „Prince of New-Orleans-Piano“ genannt wurde, mit wuchtigen Bass-Akkorden und kreisenden Melodiefiguren in den Höhen an, singt in „The Sunny Side of the Street“. Claude Luters „Creole Jazz“ spielen die Musiker in einer Boogie Fassung mit eingeschobenen kreolischen Rhythmen. Über „Margie“ mit dem hohen Wiedererkennungswert für das Publikum, improvisierten Lulay und Valentyn in rasenden Läufen. Dass die begeisterten Zuhörer besonders nach der gelungenen Improvisation der drei Pianisten an einem Flügel die Musiker nicht von der Bühne lassen wollten, konnte nicht verwundern.

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