Für die Aufnahme Albert Mangelsdorffs auf dem Titel ihrer Zeitschrift müssen die Macher des Theaterhaus – Magazins tief in ihrer Photokiste gewühlt haben – sie dürfte gut 20 Jahre alt sein.
Daß dem inzwischen fast siebzigjährigen Mangelsdorff ausgerechnet bei den Stuttgarter Theaterhaus-Jazztagen ein ganzer Abend gewidmet wurde ist kaum ein Zufall. Im Laufe des Abends bezeichnet er selbst Stuttgart als seine „zweite Heimat“, mit einigen in Stuttgart und Umgebung beheimateten Musikern ist er seit Jahren musikalisch und menschlich verbunden. Immer noch eine der bestverkauften Jazzplatten in Deutschland, das United Jazz & Rockensemble „Live im Schützenhaus“ wurde hier 1977 aufgenommen. Einer treuen Fangemeinde kann er sich an diesem Ort sicher sein…
Ein Abend mit musikalischen Freunden und Weggefährten. Albert Mangelsdorff als Mittelpunkt und doch – wie immer – musikalisch nicht in den Vordergrund drängend.
Den Abend eröffnet die Gruppe mit Chico Freeman, dem Percussion Orchestra mit Reto Weber, Djamchid Cemirani und Musthwamy Balasubramoniam. Mangelsdorffs Interesse an stark rhythmisch-perkussiv orientierten Gruppen ist ein Schwerpunkt seiner Arbeit der letzten Jahre, bereits Mitte der achtziger Jahre war er in ähnlichem Rahmen mit Wolfgang Dauner und Peter Giger’s Family of Percussion aktiv. Sein Interesse an exotischen Rhythmen und Klangfarben läßt sich seit den Tourneen durch Asien Mitte der 60er Jahre verfolgen.
Die aktuelle Formation spielt bereits einige Jahre in dieser Besetzung (und hat auch bereits 2 CDs veröffentlicht, vgl. Diskographie A. Mangelsdorff). Die Percussiongruppe brennt wahre Feuerwerke auf den unterschiedlichsten Schlag-Instrumenten ab. Reto Weber selbst von Beginn an mit maximalem Körpereinsatz: die ersten Töne des Konzerts produziert er mit verschiedenen Klicklauten, gezielten Schlägen auf Backen, Kopf und zur Erbauung des Publikums auch andere Körperteile…
Freeman am Tenorsaxophon und Mangelsdorff lassen sich hörbar mitreißen aber auch lyrische Momente gibt es in dieser Besetzung wenn Mangelsdorff vor einem orgelpunktartigem, von der Rhythmusgruppe mit „Schwirrhölzern“ erzeugtem Klangfeld choralhaft anmutend improvisiert.
Eine weitere typische Facette seiner Arbeit der letzten Jahre wird im zweiten Set des Abends präsentiert: ein Duo mit dem Trompeter Claus Stötter. Die beiden kennen sich aus anderen Formationen, die Duokombination an diesem Abend ist eine Premiere. Stötter, ist vor allem bekannt durch sein zupackendes Attacca. Im Duo mit Albert Mangelsdorff greift er hingegen vor allem zum Flügelhorn mit seinem weicherem Klang, der sich in den unteren Registern mit den hohen Lagen der Posaune reizvoll mischt und überschneidet. In dieser intimen Konstellation kommt Albert Mangelsdorffs typisches Spiel besonders deutlich zur Geltung. Die berühmten „multiphonics“: Akkorde, durch gleichzeitiges Singen und Posaunespielen mit zugehörigen Obertönen erzeugt; idealer Improvisationshintergrund für das perlende Spiel Stötters. Tiefes musikalisches Einverständnis vorausgesetzt gelingen dann auch die frei improvisierten Stücke zu eindrucksvoll sinnvollen Miniaturen.
Ganz typisch für Mangelsdorffs Auftreten auf der Bühne ist ein auf der „Stelle gehen“. Ein wiegender Gang über dem er ganz eminent swingend seine Musik macht, mit manchmal sparsam hingetupften Klängen die Stille umspielt.
Ein nicht hörbar müde gewordener Mangelsdorff bestreitet schließlich mit seinem aktuellen Quintett den letzten Part des Abends. Wolfgang Dauner am Flügel ist ein alter musikalischer Weggefährte, mit Christof Lauer am Tenorsaxophon, Dieter Ilg am Baß und Wolfgang Haffner sammelt sich um die zwei Urgesteine die frische Lava des deutschen Jazz. Das Resultat dieser Mischung ist im wesentlichen ein frischer Mainstreamjazz mit einigen freieren Passagen.
„Elongate“, von Mangelsdorff schelmisch mit „Stretch out“ übersetzt – was unter Musikern so viel heißen soll wie „sich ausspielen“ ist programmatisch. Was will man mehr – Jazz bei dem sich die Musiker zum eigenen Spaß und zur Freude des Publikums ausspielen. Dieses Konzept scheint allen Musikern in dieser Gruppe zu liegen. Lauer am Saxophon mit seinem druckvoll-expressiven Saxophonstil und Dieter Ilg, der mit seinem einfallsreichen und dynamischen Kontrabaßspiel sich einmal mehr als Meister seines Instruments hervortat. Etwas schwächer als bei den vorherigen Sets war die Abmischung des Sounds, zum Vorteil (?) des sich ebenfalls in prächtiger Spiellaune befindenden Wolfgang Haffner am Schlagzeug.
Mit diesem thematischen Abend gelang den Veranstaltern ein konzentrierter Blick auf das aktuelle Schaffen Albert Mangelsdorffs. Ein Vergnügen für seine Freunde, die sich von seiner ungebrochenen Vitalität und Spielfreude überzeugen konnten. Ein idealer Einstieg für Jazzfreunde die Mangelsdorff noch nicht kannten – die dürften allerdings in der Minderzahl gewesen sein ;-)