Konzertnoblesse anstatt Klubatmosphäre

SCHWÄBISCH HALL. Wie sich die Zeiten ändern: Am 21. Oktober 1967 gastierte der Pianist Wolfgang Dauner erstmals in Schwäbisch Hall, nämlich beim jung-revolutionären Club „alpha 60“ in den Ackeranlagen. Die Trio-Besetzung mit dem Bassisten Eberhard Weber und dem Schlagzeuger Fred Braceful erhielt damals eine Gesamtgage von 150 Mark. Später war in der Lokalzeitung von mir zu lesen: „Man lernte Wolfgang Dauner von zwei Seiten kennen: Einmal mit konventionellem „modern“ Jazz, mit dem er eine Konzession ans Publikum macht; dann hörte man Dauner als experimentellen Pianisten, der neue Klangfarben sucht und somit seinen geliebten Free Jazz produziert. In seinem Free-Jazz-Happening wollte das Wolfgang-Dauner-Trio nicht mehr amüsieren, sondern provozieren.“

34 Jahre danach hat (auch) Wolfgang Dauner, nun im Rentenalter, seine Sturm-und-Drang-Periode längst hinter sich. In der edlen Hospitalkirche zelebrierte der Ende 1935 geborene Tastenkünstler ein Solo-Recital auf dem noblen Flügel – vergessen sind Klub-Klaviere und Synthesizer-Gepiepse.

Geblieben freilich ist Dauners Primat der Intensität. Eher lyrische Momente, wie sie Wolfgang Dauner besonders im Duo mit dem Posaunisten Albert Mangelsdorff zu pflegen vermag, waren bei diesem Konzertabend höchst selten zu entdecken. Bereits der Opener „Drachenburg für R“ ging nach den barockalen Akkordbrechungen am Anfang behände in die Vollen. Quasi romantisch berauscht wucherte Dauner mit prallen Akkorden und scharfkantigen Melodiephrasen.

Bei seiner weiteren Eigenkomposition „Hongkong Fu“ schlug Wolfgang Dauner ebenfalls kräftig zu, als er rhythmisch akzentuierte Riff-Akkorde mit verzwickten Parallelläufen der rechten Hand kontrastierte oder gar kurz Free-Jazziges hinfetzte. Dauners mittlerweile für die unterschiedlichsten Besetzungen arrangierter „TransTanz“ gereicht auch in der Solo-Version immer wieder zu einem reizvollen Abenteuer. Markant hierbei das 16-tönige Basskontinuum, welches fundamental repetiert wird und auf das sich dann stets neue Linien schichten . Viel Disziplin und Übung steckte ferner bei der Interpretation von seinem metrisch komplexen „Wendekreis des Steinbocks“, wo er zuweilen mit der rechten Hand übergreift, um tiefgründig Bassschwerpunkte zu markieren. Klare Sequenzierungen in der Melodieführung vollführte er in „Don’t Change“, wobei er sich – ganz im flamenco-spanischen Idiom – von der phrygischen Skala leiten ließ.

Von George Gershwin brachte der Stuttgarter Pianist nicht nur zwei Songs aus der Oper „Porgy and Bess“ (darunter das nun gar nicht leisetretende Wiegenlied „Summertime“), sondern auch die 1926 entstandenen „Drei Préludes“, in die der Komponist russisch-jüdischer Abstammung schon Gesänge der Afro-Amerikaner integrierte. Freilich machte Dauner bei der akustischen Umsetzung des fixierten Notenmaterials heftig vom rechten Pedal Gebrauch. Dies praktizierte er noch ausgiebig bei den Stücken mit Improvisationsberechtigung.

Interessant, wie Wolfgang Dauner mit nicht von Gershwin geschaffenen Standards verfuhr. Beim Calypso „St. Thomas“ (Sonny Rollins) verzichtete er auf karibische Hitze und erging sich in Coolness; ebenfalls ohrengefällig „All The Things You Are“ (Jerome Kern) und „My Funny Valentine“ (Richard Rodgers). Trotz alledem und immer wieder: Oft vernahm man melodische, rhythmische und harmonische Wendungen, wie sie Dauner bereits in den 60er Jahren einsetzte.

Ein volles Haus und vier Zugaben – obendrein ein Erfolg für die beiden Veranstalter, für den Konzertkreis Triangel und für das städtische Kulturbüro.

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