Text & Fotografie: Klaus Mümpfer
Mit frei pulsierenden Streicheleinheiten der Besen auf den Fellen der Trommeln, harmonisch reizvollen Basslinien und sparsamen Pianoeinwürfen leiten Jonas Burgwinkel, Robert Landfermann und Pablo Held das Konzert der „Stenal Symphonic Society“ im überfüllten Roten Saal der Mainzer Musikhochschule ein. „Prelude“ ist der treffende Titel dieser ersten Komposition eines Suite-ähnlichen Projektes des Pianisten und Komponisten und Arrangeurs Sebastian Sternal. Der junge Jazz-Professor erweist sich in den Stücken als suchender und virtuoser Soundtüftler und Klangmaler, der abseits des üblichen und reichlich unverbindlichen „Jazz meets Classic-Flirts“ eine Jazz-Combo aus vier Bläsern und Rhythmusgruppe mit einem klassischen Streichquartett zusammenführt. Es entsteht dabei ein Klangkörper aus zwei gleichberechtigten und sich gegenseitig musikalisch befruchtenden Partnern. Sternal gelingt es auf diese Weise, beide musikalische Welten zu verflechten und auf der Basis des Jazz festzubinden.
Schon in „Place Dauphine“ flirren nach einer Intro von Marshall Gilkes auf der Posaune die Streicher in den höchsten Lagen. Das Trio aus Bass, Piano und Schlagzeug spielt lupenreinen Jazz, der von Violinen, Bratsche und Cello abgerundet wird und der schließlich in einer Art Crescendo der kompletten Band mündet. Fast schon der modernen E-Musik nähert sich die Komposition „Wo Träume Bäume sind“, in der Niels Klein ein ekstatisches Sopransaxophon-Solo über zumeist ostinaten Rhythmus- und Melodiefragmenten des Streicherquartetts bläst. Andererseits klingen manche Streichereinsätze geradezu klassisch. Sternal scheint Ostinati und Variationen zu lieben, die er zur Spannungssteigerung einsetzt. An anderer Stelle sorgt der Komponist durch Wechsel von groovenden sowie Ausdruck intensivierenden Rubato-Passagen für Auflockerung. Im Finale lässt Sternal die Klänge oftmals im Raum verschweben.
Mitreißend duellieren sich in einem quasi Ruf-Antwort-Spiel Klein auf dem Tenorsaxophon und Schlagzeuger Burgwinkel, besticht in einer Komposition Sternal selbst am Flügel mit pointilistischem Akkordspiel und Trillern zu einem getragenen Streicher-Part. Im abschließenden „Fly“ wiederum brillieren Cellist Mark Sçhumann und Pianist Held in einer einfühlsamen Interaktion.
Dramatik und innere Logik eines solchen Werkes lassen naturgemäß die Improvisationen hinter der Notation zurücktreten. Dennoch wirken die Stücke keineswegs steril. Dazu tragen die Musiker der Jazzband innerhalb der Society ebenso bei wie das Streichquartett mit Erik und Lisa Schumann (Geigen), Ayako Goto (Viola) und Cellist Mark Schumann – die offensichtlich Erfahrungen außerhalb der Klassik gesammelt haben.
Bei einem Workshop zum Konzert am folgenden Tag führt Sternal vor, wie er ein Piano-Preludium zu einer sinfonischen Dichtung ausbaut. Landfermann und Held erläutern den zahlreichen interessierten Studenten der Musikhochschule wie sie zielgerichtet und kompositionsdienlich improvisieren und „Lücken“ füllen. In der Regel höre er den späteren Klang schon beim Schreiben, sagt der Jazz-Professor. Doch selbst, wenn er sich einer Passage nicht sicher sei, lege Sternal zwei oder drei notierte Fassungen vor, ergänzt Bandmitglied Klein. Dennoch: „Nur die Offenheit fürs Experiment führt zu neuen Klängen“, betont Sternal.