Trotz doch recht zeitaufwendiger Enjoy Jazz Webradio Produktion und Enjoy Jazz Festivalstress – glücklicherweise läuft das Programm für den Jazzblogger relativ ruhig an – konnte ich Ende vergangener Woche einen halben Nachmittag und zwei Abende beim Jazzforum des Jazzinstituts Darmstadt vorbeischauen. „Tension“ war das Thema und das bezog sich auf den Titel einer Schallplatte von Albert Mangelsdorff, der auch das Thema des dreitätigen Symposiums war. Eine Vielzahl interessanter Vorträge habe ich leider verpasst aber am Samstagnachmittag konnte ich immerhin noch drei davon „mitnehmen“. Einer davon war eine praktische Demonstration der „multiphonics“ – also des gleichzeitigen Singens in und des Spielens auf der Posaune, eine Technik die Mangelsdorff zwar nicht erfunden aber zur Meisterschaft gebracht hat.
Für Nils Wogram sind diese Übungen ein leichtes Spiel und er führte nicht nur alle möglichen Varianten des Multiphonic-Spiels praktisch vor sondern würzte seinen Vortrag auch mit Witz und fundierter Theorie. Soviele Hüte werde ich nie besitzen, wie ich gerne ziehen würde vor seinen unglaublichen Fähigkeiten auf der Posaune. Die stellte er dann auch noch einmal am abend in der Bessunger Knabenschule mit seinen ebenfalls hervorragenden Mitmusikern Florian Ross (org) und Dejan Terzic (dr) – dem Nostalgia Trio – unter Beweis. Virtuos, ideal austariert zwischen raffinierten Kompositionen und beherzten Improvisationen – was will man mehr. Ein packendes Konzert.
Nicht weniger großartig und daher zumindest noch erwähnt sei der zweite Teil des Konzertabends mit Joe Sachse und Uwe Kropinski. Zwei Ausnahmegitarristen, die nicht nur Mangelsdorff-Musik ganz eigen zu interpretieren wussten, sondern vor allem virtuos ihre eigenen Kompositionen in Szene setzten. Joe Sachse mit fulminanten Klang-Wolkenbrüchen auf der E-Gitarre und Kropinski virtuos und leichtfingrig auf der akustischen Gitarre dagegenhaltend und kongenial ergänzend.
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Meiner Frau gefällt es anscheinend gut, mich ab jetzt als „Szene-Aktivist“ zu titulieren. Übernommen hat sie diesen zackig klingenden Begriff von den Gesellen des Internetablegers der Zeitschrift Jazzthing, die – und das finde ich sehr nett – meinen Jazzkalender in ihren aktuellen News erwähnen. Keine Ahnung wie ich zu dieser Ehre gekommen bin aber ich preise gern, durchaus mit Überzeugung, im Gegenzug dieses feine Magazin. Immerhin haben sie es geschafft den Jazz nach jahrzehntelanger Schwarz-Weiß Dominanz des Jazzpodiums bunt zu machen. In jedem Sinne…
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Mein bisheriger Lieblingssatz aus der Berichterstattung zu Enjoy Jazz stammt aus einer Kritik von Andreas Mayer zum Matthias Eick Konzert am 4.10.09: „…selbst das verstärkte Brodeln der Spucke im Mundstück ist von organischer Schönheit“
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Eine ganz andere Art von Festival findet im November in Köln, Berlin und Hamburg statt – Konzerte in Wohnzimmern, Ateliers und Lofts. Private Gastgeber laden ein in ungewöhnliche Veranstaltungsorte unter dem Motto „Musik in den Häusern der Stadt“. Entstanden ist das Konzept Mitte der 1990er Jahre in Köln, seit dem letzten Jahr sind auch Gastgeber in den Städten Berlin und Hamburg dabei.
Die insgesamt 77 Konzerte finden vom 10. bis 15. November statt. Der Vorverkauf beginnt am 01.10.2009. Ausgerichtet wird die Veranstaltung vom KunstSalon in Köln
Zu hören sind etablierte Künstler ebenso wie Newcomer. Zu ersteren gehören Formationen wie „triosence“ mit Konzerten in Berlin sowie Daniel Hope im Eröffnungskonzert in Hamburg. Außerdem sind mit dabei: Muriel Zoe, das Duo Brillaner, Quadro Nuevo, Annette Postel und das Deutsche Kammerorchester Berlin. Das Festival wird ausschließlich aus privaten Mitteln finanziert.
Der KunstSalon e.V. in Köln ist eine Privatinitiative zur Förderung von Kunst und Kultur. Seit 1994 setzt er sich mit zahlreichen Projekten in den Sparten Film, Bildende Kunst, Musik, Literatur, Theater und Bühnentanz dafür ein, Künstler und Kulturinteressierte zusammen zu bringen.
Szene-Aktivist trifft’s doch: Du machst regemäßig Jazzradio, berichtest im Blog und auf deiner Website auch über die Region Rhein-Neckar und hast zudem ein „Kleinst-Indie-Label“, auf dem du bislang eine schöne und musikalisch spannende CD (ist das richtig, eine?) rausgebracht hast. Wenn das nicht „aktiv“ ist, was denn dann?