Jazzopen im Clublokal: Nikki Yanofsky sang furios im BIX

Nikky Yanofsky - Kumpf
Text und Photos: Hans Kumpf 

Ein Wunderkind ist ausgereift 

Stuttgart.- Weitaus mehr als nur ein Ersatz. Ursprünglich sollte die 51-jährige Lisa Simone, Tochter der mit dem Welthit „My Baby Just Cares For Me“ unvergessenen Nina Simone (1933-2003), das Clublokalprogramm der Jazzopen im BIX eröffnen. Doch nach deren Absage konnte relativ kurzfristig eine junge Sängerin aus Kanada verpflichtet werden: Nikki Yanofsky, derzeit ohnehin auf einer ausgiebigen Europatournee befindlich. Zwanzig Lenze zählt mittlerweile die liebliche Lady – und kann bereits auf eine langjährige Karriere zurückblicken. Sie zierte im Oktober 2010 das Cover der in Stuttgart erscheinenden Fachzeitschrift „Jazz Podium“, als sie gerade 16 war. Schon als Zweijährige trällerte Nikki aus eigenem Antrieb zuvor aufgeschnappte Melodien rhythmisch genau und intonationsrein nach, erinnern sich ihre Eltern. Mit 12 absolvierte Nikki die ersten ganz großen Auftritte, und als Teenager vervollkommnete sie ständig die Strahlkraft ihrer Stimme als auch ihre musikalische Selbstständigkeit. Mit ihr zusammen musizierten gerne bewährte Koryphäen des Show-Biz – von Herbie Hancock bis Stevie Wonder.

Die phänomenale Ella Fitzgerald bleibt wohl für alle Ewigkeit das Vorbild und das Idol der am 8. Februar 1994 in Montreal geborenen Nikki Yanofsky. Klar, dass das Wunderkind Nikki von Ella früh so neckische Titel wie „A Tisket, A Tasket“ und „Old MacDonald Had A Farm“ imitierte und anschließend in ihr Repertoire übernommen hat – aber auch den swingenden Gesang ohne Worte, den Scat. Wenn Nikki Yanofsky im Laufe ihrer künstlerischen Entwicklung zunehmend eigene Songs kreiert (und auf Tonträger bannt), so bezieht sich dies vor allem auf die Lyrics. Als musikalischer Berater steht ihr kein Geringerer als der vormalige Count-Basie-Trompeter Quincy Jones zur Seite, der ja bekanntlich noch Michael Jackson produziert hatte.

Nikki Yanofsky agiert in einer angenehmen Tonlage – weder hyperhoher Sopran, noch verruchter Akt. Wenn sie richtig jazzt, dann moduliert sie plastisch die einzelnen Töne, vermag aber auch vibratolos geradeaus energisch zu shouten und ihre stilistischer Vielseitigkeit gar populistisch zu übertreiben. Da vermag sie beispielsweise nach Britney Spears oder Caro Emerald klingen. Seien es gefühlvolle Balladen, seien es scharfkantige Grooves – sie hat alles Mögliche drauf.

Bei einer Studioproduktion kann Nikki Yanofski mit viel technischem Aufwand arbeiten (lassen). Ein überschaubares Instrumental-Quartett begleitet sie bei ihrer aktuellen Tour: Pianist und PC-Bediener Cale Hawkins, Stephen Maxwell (Gitarre), Kyle Miles an fünfsaitiger Bassgitarre und am Kontrabass sowie der Schlagzeuger Alfonzo Cleveland III. Und dann waren von der kleinen Bühne im total ausverkauften BIX immer wieder Bläserklänge und Backgroundchöre zu hören – ein Computereinsatz mit Sounds aus der Retorte macht‘s möglich.

Der temperamentvolle Abend begann mit dem rasanten Eigenbau-Titelstück von Nikki Yanofsky neuester CD, mit „Little Secret“ also. Ihre munter rockende und wenig lässig swingende Begleitband sorgte mit entsprechender Lautstärke dafür, dass man sich eher bei einem (exakt programmierten) Pop-Event wähnte als dass lauschige Nightclub-Atmosphäre aufkommen konnte. Aber dann doch eine zeitgeistig aktualisierte Fassung des Gassenhauers „Jeepers Creepers“, wo die versierte Vokalistin nach alter Art und Weise ein Trompetensolo nachahmte.

„Flying Home“ bedeutet (auch) für die stimmkräftige Nikki Yanofsky seit geraumer Zeit eine Paradenummer für furiosen Scat und improvisatorischer Freiheit. Und sie reiht sich in die Stars ein, welche die eigentlichen Zuhörer zu einem spaßigen Wechselgesang animieren.

Da Nikki Yanofsky aus dem frankophonen Teil Kanadas stammt, intoniert sie gerne ein französisches Chanson, das von Louis Armstrong in die Jazzwelt eingeführt wurde: „C’est Si Bon“. Charmant stellte sie dieses Lied vor und war stets darauf bedacht, mit dem Publikum eine Zwiesprache zu führen.

Professor Mini Schulz, umtriebiger Jazzer in Stuttgart, wies in seiner kurzen Begrüßung darauf hin, dass nur das große Jazzopen-Festival es ermöglichen konnte, das weiterhin aufstrebende Gesangstalent in einem vergleichsweise kleinen Raum präsentieren zu können. Letztendlich ein sicherlich historisches Konzerterlebnis. Von Nikki Yanofsky wird man zukünftig noch viel hören.

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