Jazz und Philosophie: Gespräch mit Daniel Feige und Konzert an der Mainzer Musikhochschule, 18. Juni 2015

Photo: Mümpfer

Text & Fotografie: Klaus Mümpfer 

Bei der Improvisation steht anders als in der Interpretation der Klassik alles auf dem Spiel. Und dennoch steht der Musiker bei der Improvisation nicht im luftleeren Raum. Denn er steht in der Tradition dessen, was er erfahren hat und aus dem er seine eigene originäre Stimme entwickelt. Improvisation als einer der „drei Dimensionen des Jazz“  ist also stets eine Gruppenerfahrung. Neben ihr sieht  der Pianist und Philosoph Daniel Martin Feige in der Interaktion und die Intensität weitere Dimensionen des Jazz.

Im Suhrkamp-Verlag  veröffentlichte Feige im vergangenen Jahr ein Buch, das Aussagen über den Jazz als improvisierte Musik und damit als Gegenmodell zur notierten Klassik treffen will, zugleich auch aus dem Jazz allgemeine Erkenntnisse über die Kunst ableiten möchte. Beim „zweiten Mainzer Jazzgespräch“ über die „Philosophie des Jazz“ dreht sich die Diskussion um Feiges Erkenntnisse über die Improvisation und das Zusammenspiel in der Selbstwahrnehmung der Jazzmusikerinnen und –musiker. Es geht also darum, warum der Jazz interessant für philosophische Reflexion ist. Am Ende der Diskussion steht die Frage, ob die musikalische Interaktion zugleich Vorbild für eine Lebenshaltung sein könne. Der Improvisationsmusiker Nicola Hein und der Pianist Sebastian Sternal finden zumindest eine allgemein anerkannte Aussage, „dass wir im Jazz die Individualität des Menschen kennenlernen“. Insofern gleitet die Diskussion von der philosophischen in die musikwissenschaftliche und sozialogische Betrachtung ab, konkurriert aber nicht.

Die Runde mit dem Leiter des Darmstädter Jazzinstituts, Wolfram Knauer, Daniel Martin Feige, dem promovierten Vorsitzenden der Mainzer Jazzinitiative, Jörg Heuser, der Saxophonistin Angelika Niescier und dem Pianisten Sebastian Sternal von der Musikhochschule Mainz fragt nach der philosophischen Relevanz des Jazz. Sternal zitierte Herbie Hancock mit der von allen geteilten Aussage, Jazz sei „Catching the moment“ – also eine Musizierhaltung. Auf der Frage Knauers, ob im Nachhinein betrachtet, eine Improvisation wie die zuvor gehörte eines Quartetts von „Monks Dream“ als gelungen bewertet werden könne, will sich Niescier nur auf die subjektive Aussage einlassen, dass sie das Spiel der Vier Musiker in seiner Offenheit als „stimmig“ empfunden habe.

Zuvor schon hat Feige in seiner Antwort auf Knauers Frage, wann der Jazz eine künstlerische Musik sei, davor gewarnt, Bewertungen in die  philosophische Betrachtung einfließen zu lassen. Kunst sei unbestimmt und unberechenbar. Aber: Neues sei nur in Relation zum Vorhandenen neu. Der Jazz als ästhetisches Gelingen entwickelt sich nach Feiges Worten geschichtlich.

Ein Teil der Diskussion drehte sich um den unbeliebten Begriff „Werk“, um Notation und Improvisation. Durch seine Interpretation bleibt nach Feiges Ansicht ein Werk lebendig. Die Partitur sei nicht gleichbedeutend mit Musik, sagten Diskutanten. Dennoch hält Niescier die Notation als Teil einer musikalischen Performance für wichtig.

Illustriert wird das Mainzer Jazzgespräch durch die freie Improvisation eines Quartett, in dem der Pianist Nicolas Hering mit Blockakkorden und Clustern, der Schlagzeuger Julian Camargo mit pulsierender Perkussion, der Bassist Bastian Weinig mit harmonischen Wendungen und die Saxophonistin mit expressivem und eruptiven Soundfetzen „Monk´s Dream“ auseinander nehmen. Nicolo Hein führt mit Geräuschcollagen, rhythmischem Klopfen auf dem Korpus der Gitarre, angerissenen Saiten und Elektronik die Tradition im Jazz in neue Soundkreationen. Zum Abschluss interpretieren Nicolas Hering und die Sängerin Leona Berlin „Body and Soul“ in ästhetischer Jazz-Tradition.

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