Jazz & The City Salzburg 2019 – Jazz wird zum Kitt der Stadt (Fotos Schindelbeck)

70 Konzerte innerhalb von drei Tagen, 30 Spielstätten verteilt über die ganze Stadt: als Besucher und Zuhörer wird man zum Stadtwanderer und -entdecker, der von Konzert zu Konzert flaniert, sich im Touristenstrom durch Gassen kämpft, über die Brücken gleitet und gelegentlich zum „Muss-ich-doch-noch-hören“ hastet. Improvisierte Musik wird für einige Tage zum Kitt des Stadtlebens, herausgetragen durch musikalische Spaziergänge. Auf dem Weg: irritierte Sushi futternde Schülerinnen, die von Edward Perraud ebenso bespielt werden wie der Pizzabote auf dem Weg. Passanten, die am helllichten Tag eine unerwartete musikalische Atempause mit Daniel Erdmann und Theo Ceccaldi an einer Straßenecke der Altstadt genießen oder lustig gewandete – Hamburger! – Brassbands, die den Berg zur Festung Hohensalzburg mit einer Menschentraube im Schlepptau spielend bewältigen.

Natürlich gibt es einen festen Kern im Festivalprogramm, der sich sogar auf Papier drucken lässt: in der größten Spielstätte „Szene“, im Yoco, im Jazzclub Jazzit, in den aus den Vorjahren schon bekannten Spielstätten im Mozarteum, im Künstlerhaus und der Kollegienkirche. Übliche Zutaten im Festivalgeschehen: bekannte Bands, Artists in Residence, „was für Kinder“ und glückliche Verbindungen von Kunst und Musik.

Sehr angenehm bei Jazz & the City: die Konzentration auf Musik – Ansagen ohne politisch-gesellschaftliche Aufladung und Selbstdarstellung der Veranstalter – zumindest habe ich keine mitbekommen. Jazzfestival mit vielen Frauen im Programm? Klappt auch ohne Quote, ganz allein mit Qualität. Musikerinnen und Musiker aus aller Welt mit vielfältiger freier Musik ohne Scheuklappen? Die sind politisches Statement genug.

Nicht vorab drucken lassen sich die spontanen Begegnungen, die Blind Dates, bei denen die Musiker oft genug Minuten vorher selbst noch nicht wissen, mit wem sie spielen werden – die Festival-App ist da fast unverzichtbar und wäre ganz unverzichtbar, wenn sie einen Hauch präziser funktionieren würde. Praktischerweise lauert nach jeder unfreiwillig verpassten Konzertchance schon das musikalische Kleinod zur Versöhnung um die Ecke.

Jazz & The City eröffnet Räume ganz im wörtlichen Sinn, wenn an ungewöhnlichen Orten und Plätzen Musik stattfindet. Sie öffnet aber auch neue musikalische Räume und das nicht nur für die Zuhörer. Wenn die zierliche Berliner Sängerin Almut Kühne es ganz allein mit der Akustik der Kollegienkirche aufnimmt, dann wissen die Zuhörer nach dem kurzen, intensiven Set, dass sie einem einmaligen und besonderen musikalischen Ereignis lauschen durften. Dass die abwandernden Zuhörer mit ihrem Zug durch die Großprojektion abstrakter analoger Overheadprojektoreneffekte unfreiwillig Teil der Inszenierung werden – ein witziger Nebeneffekt. Konzerte aus der der Kategorie „Experimente“ – die sind ein wesentlicher Teil der Jazz & The City DNA.

Intendantin Tina Heine zeigte sich zurecht zufrieden: „Ich bin mehr als glücklich über diese Festivalausgabe! In diesem Jahr gab es noch mehr freien Fall und offene Formate, die sich erst auf dem Festival zusammensetzen als je zuvor und Besucher wie Künstler haben diesen Ball wunderbar aufgenommen. So wurde aus Jazz & The City ein Festival, dass sich für mich beinahe wie eine temporäre Skulptur in der Altstadt anfühlte“.

| Jazz & The City Salzburg

Urheberrecht Fotos: Frank Schindelbeck Jazzfotografie

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