Jazz mit Alma-Ata-Atem

Marbach (Neckar) – Vor zwanzig Jahren integrierte der Trompeter Yury Parfyonov mit seiner Gruppe „Boomerang“ mittelasiatische Sounds und Rhythmen in die sowjetische Jazzmusik. Das in Alma-Ata (Kasachstan) beheimatetes Kollektiv brachte so manchen klangfarblichen Tupfer auf Festivals und auf Platten der staatsmonopolistischen Firma „Melodyja“ ein. Eine ordentliche Portion Perkussives ließ damals die Band beispielsweise in dem Stück „Derwisch“ hören, und der Leiter sowie Komponist Parfynov imitierte auf seiner Trompete gekonnt die usbekische Viola.

Mit eher verhaltener Emotionalität erging sich nun Yury Parfyonov in Orientalismen, als er zusammen mit der Münchener Ethno-Rock-Jazz-Formation „Embryo“ in Marbachs alternativem „Café Provinz“ auftrat. In der variabel besetzten Formation um den Vibraphonisten Christian Burchard spielt mittlerweile eigentlich der St. Petersburger Fagottist Alexander Alexandrov mit, doch dieser hielt sich zeitweilig wieder in Russland auf. So war das seit drei Jahrzehnten bestehende Embryo-Ensemble nach einer ausgiebigen Spanien-Tournee auf ein Trio geschrumpft. Lothar Stahl entwickelte am Schlagzeug versiert komplexe Rhythmen, während Jens Pollheide auf der Bassgitarre recht knackig vorging und auf der Flöte sanfte Töne beisteuerte.

Da diente die phrygische Skala erneut als willkommenes Basismaterial, ein abwärts gerichtetes Viertonmotiv wurde zum gemeinsamen Nenner, und Mikrotonales negierte schroffe Melodik-Grenzen. Gemeinsam und geradezu gruppendynamisch wurden große Bögen gespannt – von lyrischen Momenten bis zum lautstarken Getöse. Und so klang das elektronifizierte Hackbrett von Christian Burchard wie die aufgeheizte Gitarre von Jimi Hendrix. Allenthalben Hippie-Romantizismen wie früher.

Die musikalische Freiheit im Westen, das ungezwungene Musizieren – dies schätzt der ergraute Trompeter Yury Parfyonov, der auch sein kleines Kornett einsetzt. Seit zehn Jahren ist er in Moskau reguläres Mitglied im seit 1934 bestehenden „Oleg Lundstrem Orchestra“. Und wenn da der noble Dirigent, 1916 in der Mandschurei geboren, zum Taktstock greift, ist wieder strenge Swing-Disziplin angesagt…

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