Text & Fotografien: Klaus Mümpfer
Der sperrige Thelonious Monk ist sicher eine der Schlüsselfiguren in der pianistischen Entwicklung von Uwe Oberg. Der eruptive Cecil Taylor ergänzend Anlehnungspunkt für die Energie und Kraft, die der Wiesbadener Pianist selbst in den leiseren und suchend tastenden Passagen beweist. Und im Grunde seines Herzens ist der Musiker, der Free-Jazz und Avantgarde miteinander verbindet, ein unverbesserlicher Romantiker. Diese Liebe zeigt sich beim Konzert im Mainzer Atelier Christiane Schauder bei einem Solo des Pianisten. Im Duo mit dem Saxophonisten Frank Paul Schubert sind deshalb immer wieder melodiöse, fast hymnische Läufe zu hören – beispielhaft in der Zugabe mit ihren hell fließenden Linien, die nach und nach an Intensität und Dynamik gewinnen.
Obergs Partner Schubert ist – wie auch Namensvetter Matthias (mit dem Oberg ebenfalls spielte)- ein Energiebündel, das in harten Stakkati auf dem Alt- und dem Sopransaxophon explodiert, das die Instrumente knallend und nervös schnattern und schreien lässt, das Atemgeräusche und Überblastechnik in sein Spiel einbezieht. Schuberts Solo-Stück wird von rauen Atemgeräuschen eingeleitet, findet nach Stakkato-Variationen des harmonischen Grundgerüstes und kurzen melodischen Linien zu einem sonoren und sanft verklingenden Finale. Rasend schnelle Folgen wechseln sich mit leisen und getragenen Passagen ab. Ein anschließendes Duo trägt minimalistische Züge. Das Sopransaxophon zwitschert, fließende Läufe werden mit Vibrato aufgelockert und kreisende Harmoniefolgen kommentieren das Klöppelspiel Obergs auf den Saiten des Flügels, das die Tennisbälle im Korpus tanzen lässt. Der Pianist reißt mit einer Hand die Saiten an und begleitet dies mit Single-Note-Trauben auf den Tasten. Die Stimmung wird durch exotische Klangfarben geprägt.
Irgendwann tauchen plötzlich Ragtime-Zitate auf. Auf das Duo trifft der Spruch zu, dass zusammenwächst, was zusammengehört.
Spontanes Komponieren hat Altmeister Albert Mangeldorf vor mehr als zwei Jahrzehnten dieses freie Improvisieren genannt. „Instant Composing“, so die heute gängige Bezeichnung, verlangt eine besonders einfühlsame Kommunikation zwischen den Duo-Partnern. Bei Oberg und Schubert stimmt die „Chemie“. Insofern gelten selbst dem freien Jazz jene Grenzen, die das sensible Aufeinandereingehen setzt. Innerhalb dieses dennoch weiten Spektrums entwickeln die beiden Musiker mit ihren Spieltechniken und Präparationen ungewöhnliche Klangfarben und Energieflächen, die von den Zuhörern weit offen Ohren und musikalische Abenteuerlust verlangen. Einzelne Besucher im überfüllten Atelier sahen sich überfordert. Die anderen spendeten anhaltenden Applaus und wurden mit zwei Zugaben belohnt.