Didier Lockwood Trio beim Rheingauer Musikfestival, 14. August 2005

Das Original aus dem Walt-Disney-Film gilt als ein fast wienerischer Schmachtfetzen. Der Geiger Didier Lockwood, Pianist Daniel Kramer und Bassist Kilian Forster leugnen die balladeske Beseeltheit von „Some Day My Prince Will Come“ keineswegs, überschreiten aber nie den Grat zur Sentimentalität. 

Eine vibratoreiche Intro auf der Geige, hingeworfene Akkorde auf dem Piano und gezupfte Bassfiguren leiten zu einem Up-Tempo-Mittelteil über, der mit rasenden Pianoläufen und Arperggio-Strichen auf der Geige sowie mit Romantizismen auf dem Flügel gefüllt wird. 

Der französische Jazz-Geiger Lockwood zeigt sich in dem Konzert des Rheingauer Musikfestivals auf Schloss Johannisberg als ein Künstler, der einerseits in der Tradition des legendären Stéphane Grapelli verwurzelt ist und von jüngeren Geigern wie dem verstorbenen Zbigniew Seifert beeinflusst wurde, andererseits sich im Jazzrock zu Hause fühlt und aus all diesem einen eigenen Personalstil entwickelt hat – mit sauberem und elegantem Ton sowie schwungvoller Phrasierung.

Diese Einflüsse und das klassische Studium erklären das sensible Aufeinandereingehen mit den russischen Pianisten Daniel Kramer, dessen Spiel und Kompositionen die europäische Romantik umfassen und zugleich in der russischen Folklore schwelgen. „Folksong“ ist der Titel eines Up-Tempo-Stückes an diesem Morgen im Rheingau, in das Rhythmen und Stimmungen russischer und gälischer Tänze einfließen und das das Publikum zu Beifallstürmen hinreißt. 

Ein kurzes Bass-Solo über Gershwins „Summertime“ reichert Kilian Forster, der in der Begleitung mit erdiger Grundierung marschiert, mit Obertönen an; Kramer kostet in seinem Solo „Strange Blues“ die Klangfülle des Flügels aus, scheint zwischendurch in einen Geschwindigkeitsrausch zu verfallen. Lockwood greift die Violectra-Geige, nutzt die Elektronik zu Percussionseffekten, Meeres- und Windesrauschen. 

Er lässt die Musik rocken, greift Zitate aus der Klassik auf und malt seine „Pictures of Lockwood“ mit Schleifen, Hall und Echos. Intensitätswellen und große Dynamiksprünge kennzeichnen das Spiel des nur für dieses Konzert mit Forster aufgestockten Duos. Dann entwickeln sich aus eher impressionistischen Soli im Zusammenklang wahre Soundgewitter. Schließlich kehrt das Trio mit „St. Thomas“ von Sonny Rollins zum Bop zurück – glücklicherweise ohne den Eindruck zu hinterlassen, dass das Programm nach dem Motto „Für jeden etwas“ zusammengestrickt sei. In der Zugabe “Blues Of Didier“ begeistern die Drei das Publikum mit humorvollen Zwie- und Tri-Gesprächen auf ihren Instrumenten, mit Verfremdungen auf der Geige, die sich mal beim Bass und mal beim Piano unisono einschmeichelt. 

Nach dem Konzert reicht Didier einem kleinen Jungen zum Probespiel seine elektrische Geige – das jungenhafte Lachen auf dem Gesicht, das so typisch für ihn ist und das den Humor in seinem Spiel erklärt.

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