Das Pat Metheny Trio in der Rüsselsheimer Jazzfabrik, 31. Oktober 2011

Fotos und Text: Klaus Mümpfer

Das Schlagzeug ist in tiefblaues Licht getaucht. Ein Spot schält den Gitarristen aus der Dunkelheit der Bühne. Der einsame Spieler sitzt tief gebeugt über einem Monstrum mit drei Hälsen und 42 Saiten, die kreuz und quer, längs und diagonal über den Korpus gespannt sind. Wenn der Künstler mit dem Instrument den Gitarrensynthesizer ansteuert, dann entlockt er der eigens für ihn gebauten Pikasso-Gitarre Klänge, die Zither und Harfe entlehnt zu sein scheinen. Pat Matheny, den die Zuschauer im ausverkauften Rüsselsheimer Theater wie einen Gott feiern, bricht zu einem seiner Solo-Ausflüge auf.

Mit seinem Trio führt der inzwischen 56-jährige, stets strahlende, Sonnyboy durch die vielseitige Geschichte seines Komponisten- und Gitarrenlebens. Es ist eine Reise durch den Wohlklang, der selbst in den schnellen elektrifizierten Stücken nicht die Bindung an die Harmonie verliert. Methenys Musik ist ästhetischer Ausdruck einer außergewöhnlichen gitarristischen Klangkultur, auch wenn er in einem Interview darauf besteht, dass er sich einfach nicht vorstellen könne, eines Tages als „elder statesman“ aufzuwachen.  

Berühmt und gefeiert sind die unterschiedlichen Metheny Groups. Doch zu den Trios ist er immer wieder zurückgekehrt. „Sie sind weit offen und voller Entdeckungsfreude“, begründet der Musiker diese Vorliebe. In der Tat klangen die Kombinationen mit Charlie Haden, Dave Holland, Bob Moses, Roy Haynes, Jack deJohnette, Christian McBride oder Antonio Sanchez extrem unterschiedlich. Dieses Mal hat er das Zusammenspiel mit dem Schlagzeuger Bill Stewart und dem Bassisten Larry Grenadier zu neuem Leben erweckt – ein Trio, das in den Jahren 1999 und 2000 Kritiker und Publikum zu überschwänglichen Lobeshymnen verleitete. 

Auch dieses Mal war das Publikum beim Konzert der Rüsselsheimer Jazzfabrik enthusiasiert. 

Man bewundert die Kunstfertigkeit und die Ästhetik, die Klangfülle und die Leichtigkeit, das traumhaft sichere Zusammenspiel und die kreativen Interaktionen. Pat Metheny ist zweifellos ein grandioser Jazzmusiker. Sein extrovertiertes Spiel steht in reizvollem Kontrast zu der sinnlichen Innerlichkeit der Kompositionen. Dennoch wollten sich Spannung und emotionale Erregung beim Rüsselsheimer Konzert nicht so richtig einstellen – mit Ausnahme eines elektrifizierten Up-Tempo-Stückes. 

Pat Metheny kann mit den Gitarren so ziemlich alles Erdenkliche anstellen. Er zupft die Saiten im filigranen Fingerpicking, er schabt und kratzt, entlockt dem Instrument beim Umgreifen Quietschtöne und surft durch wilde Obertonreihen. Sein vielschichtiges Solospiel ist Beweis für Perfektion und Raffinesse sowie für das nahtlose Wechselspiel von Dissonanz und Harmonie. Im Duo mit Grenadier führt Metheny in einer langen Linie die Melodie, nimmt sich beim Solo des Bassisten zurück und unterlegt dessen harmonisch reizvollen sowie mit überraschenden Wendungen gespickten Lauf mit kurzen Akkordeinwürfen. Schlagzeuger Stewart unterstreicht das Trio-Spiel sensibel, selten hart, und in einer wunderschönen Ballade mit sanftem Besenstrich. 

Helfer reichen dem Star aus dem Dunkel die unterschiedlichen Gitarren wie die Kelche einem Gralshüter. Sie enthüllen auch gegen Ende des Konzertes das vielfältige Überbleibsel des Orchestrions, mit dem Metheny im vergangenen Jahr die Verbindung zwischen vitalem Gitarrenspiel und Mechanik gewagt hatte. 

Dramaturgisch war das anschließende akustische Finale ein geschickter Schachzug. Das Publikum feierte den Gitarristen stehend mit schier endlosem Beifall und Pat Metheny bedankte sich gleich mit mehren Zugaben.

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