Das Avishai Cohen Trio in Mainz Frankfurter Hof, 01. Mai 2012

Text & Fotografie: Klaus Mümpfer

„Seid vorsichtig, sonst werden wir die Bühne nie mehr verlassen“, warnt Avishai Cohen das begeisterte Publikum im ausverkauften Frankfurter Hof. Der israelische Bassist strafte sein kurz vorher eingestandene „wohltuende Müdigkeit“ nach der anstrengenden Reise von Krakau nach Mainz Lüge und ließ sich von den stehenden Ovationen der Zuhörer zu mehreren Zugaben hinreißen. Beim abschließenden „Shalom“ legte er zeitweise den Kontrabass beiseite und trommelte mit Sticks auf dem Notenständer. Die Fans im Saal sangen ihr „La,la,la“ auch noch allein, als der Bassist mit seinen beiden Begleitern die Bühne bereits verlassen hatte und dann doch wieder zurückkam. Es herrschte ausgelassene Partystimmung nach einem gut zweistündigen mitreißenden Konzert. Was hätte sich Mainz zum Jubiläum der 25-jährigen Partnerschaft mit der israelischen Stadt Haifa mehr wünschen können?

Avishai Cohen ist am Bass wichtigster Solist, auch wenn er den virtuos spielenden und glänzend inspirierten Partnern Omri Mor am Flügel und Amir Bresler am Schlagzeug ausgiebig Freiräume für solistische Glanzstücke einräumt. Cohen ist der allzeit präsente Mastermind des Trios. Damit wird er der Intention der Basslegende Ron Carter gerecht, der forderte, dass der Bassist Für Time, Rhythmus, Harmonik und Linien verantwortlich sein müsse. Cohen zupft und streicht also das große Saiteninstrument in langen melodischen Linien und harmonisch reizvollen Läufen mit vertrackten Wendungen, manchmal sogar pizzicato und einmal frei atonal zu einem explosiven Free-Lauf auf dem Piano. Cohen klopft aber auch mit den Händen und Fäusten auf dem Korpus, unterstreicht und ergänzt die Perkussion des Schlagzeugers. Er ist somit nicht nur optisch in der Mitte des Trios, sondern auch musikalisches Bindeglied zwischen dem Pianisten und dem Schlagzeuger.

Faszinierend sind die sanften Duos von Mor und Cohen, die Bresler sensibel und filigran unterlegt. Mit beschwörender Intensität wirken die kraftvollen Ostinati der Bassfiguren und die teils quirligen, teils sperrigen Läufe auf dem Flügel – oftmals in aufrührenden ungeraden Rhythmen. Mor hämmert die Akkordreihe in die Tasten, Cohen zupft und klopft den Bass perkussiv und Bresler treibt die beiden vor sich her.

Israel ist ein Schmelztiegel der Kulturen. Cohen hat nach der Rückkehr aus Amerika, wo er jahrelang mit Jazzmusikern wie Chick Corea spielte, diese Einflüsse aufgesogen. In seiner Musik verschmelzen Klassik, Jazz, Balkan-Klänge, nahöstliche Skalen und israelische Folklore. Omri steuert seine andalusische Leidenschaft bei. Er interpretiert mit eindringlicher Emotionalität und spielt nahtlose metrische Wechsel, hingetupfte Single-Notes und schwelgt in swingenden Läufen. Bresler streicht die Felle zart mit den Besen, trommelt mit den Stöcken auf dem Trommelrand oder nutzt seine gesamtes Instrumentarium für vielschichtiges und polyrhythmisches Powerplay, das nur einmal mit stupendem Beat eine Länge aufweist. 
In dem groovenden und zugleich kammermusikalischen Konzert durften Kompositionen wie „Signature“, „Dreaming“ „Remembering“, Seven Seas“, “Calm“, Shumbarak“, „Para el monte“ oder Avram Avini“ nicht fehlen. In unbegleiteten Bass-Soli sang Cohen mit seiner warmen, leicht gebrochenen Stimme anrührend. Fast alle seine liedhaften Stücke steigerten sich von schlichter Volksliedhaftigkeit und lyrischem Ausdruck zu hoher Komplexität voller Kraft, von getragener Ballade zur Up-Tempo-Eruption. Solche Dynamik und Intensität reißen das Publikum mit.

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