Text & Fotografie: Klaus Mümpfer
Das Spiel des Schlagzeugers Christian Lillinger und seiner Band „Grund“ wirkt auf kraftvolle Weise filigran. Dieser Jazz ist frei, ohne hart wie Free Jazz zu sein. „Grund“ kreiert einen kompakten und geschlossenen Sound, aus dem sich die Instrumente immer wieder einzeln oder in Duos herausschälen, um für kurze Zeit die Führung zu übernehmen und um sich dann wieder in den Gesamtklang zu integrieren. Und dies alles auf einem Percussionsteppich, der nie aufdringlich wirkt und doch alles zusammenhält.
Der 29-jährige Christian Lillinger mit seiner Haartolle, die er immer wieder mit der Hand zu bändigen versucht, ist ein junger Wilder unter den gegenwärtigen Schlagzeugern. Aber er ist mehr als nur ein Drummer. Seinen Kompositionen, die er in diesem Konzert der Rüsselsheimer Jazzfabrik präsentiert, sind überlegend durchdacht. Er hat die Kontrolle über alles, was auf der Bühne passiert, ohne dass die „Kontrolle“ die Musiker einengt. „Ich weiß halt, was geschieht, egal, was passiert – und darauf stehe ich“ hat Lillinger einmal in einem Interview gesagt.
Dazu bedarf es kongenialer Partner, auf deren Interaktionen er sich verlassen kann. Und diese „Traumformation“ ist „Grund“ mir ihren beiden Bassisten Jonas Westergaard und Petter Eldh, den beiden Saxophonisten Tobias Delius und Pierre Borel, dem Vibraphonisten Christopher Dell und dem Pianisten Achim Kaufmann. lIllinger steuert vom Schlagzeug aus das energetische Geschehen, das Miteinander in den Unisono-Passagen von Tenor- und Altsaxophon ebenso wie das Gegeneinander in den wilden und manchmal schnatternden Duellen der Bläser. Fast scheint es, als würfen sich drei polare Duos die musikalischen Bälle zu. Piano und Vibraphon, die Saxophone und die Kontrabässe, manchmal gestrichen meistens gezupft. Nicht in Harmonielinien, sondern in kraftvollen Akkordreihen. Der Vibraphonist tänzelt in warmem und diffizilem Klöppelspiel, der Pianist lässt die Notenketten in rasenden Läufen ausdem Instrument perlen oder wirft kurze Akkordfolgen ins Ensemblespiel.
Hinter all diesen Aktionen flirrt mit nervösen Schlagfolgen, die hin und wieder durch hafte Schläge akzentuiert abgeschlossen werden, das Spiel auf den Trommeln und Becken. Illinger erweitert seine Percussionsimprovisation, wenn er mit einem Metalltrichter über den Bühnenboden scheppert oder wenn er scheinbar willkürlich kleine Metallplatten wirft. Einmal zieht er quietschend ein Becken übers Trommelfell. In freiem Pulse streicht er stets präsent mit Besen und Sticks sein Instrumentarium. In einer Komposition mit dem bezeichnenden Arbeitstitel „Swing“ pulsiert die Band gar traditionell swingend.
Das faszinierte Publikum genießt die aufregenden Up-Tempo-Stücke ebenso wie die getragene und in der Piano-Einleitung tastende „Ballad for Beate“, die kraftvollen Schreie der Saxophone in „VI“ oder die in Stakkati wiederholten Thema-Variationen in „Malm“. Lillinger & Grund spielt eine sehr quirlige Musik, die gleichermaßen klar strukturiert, wie spontan und emotional erscheint. Die Kompositionen und ihre Interpretation ist unverwechselbar und einzigartig, was sicher auch ein Grund war, den 1984 geborenen Bandleader mit dem Kompositionsstipendium des Berliner Senats zu belohnen.