Barbara Dennerlein solo an der Kirchenorgel, Worms, 14. Oktober 2005

Sakrale Klänge füllen den hohen Kirchenraum, bevor die Organistin zu schnellen Melodieläufen wechselt und mit den Füßen für die Bassgrundierung sorgt. Nach einem abrupten Dynamiksprung erklingt das Instrument mit vollem Volumen und ein kleines Lächeln umspielt die Lippen der Künstlerin, die mit geschlossenen Augen flinkfingrig in die Tasten greift. Vor der riesigen Link-Orgel der Wormser Lutherkirche mit ihren 50 Registern und nahezu 1700 Pfeifen wirkt die hoch gewachsene und dennoch zierliche Barbara Dennerlein fast verloren. Doch schon nach der sakral klingenden Intro fängt das Instrument mit einer Leichtigkeit zu grooven und zu swingen an, die der Zuhörer diesem Ungetüm nie zugetraut hätte. In lang gezogenen Intensitätswellen kostet die Münchnerin die Klangfülle aus, die sich ihr bietet. „Downtown New York“ assoziiert die Stimmungen einer brodelnden Metropole, die Dennerlein mit schnellen Läufen, harten Unterarm-Clustern und Bässen unterstreicht.

Eines der mitreißendsten Stücke dieses Konzertes – wie auch der Orgel-CD „Spiritual Movement No.1“ – ist ihre Komposition „Holy Blues“ mit ausladenden Basslinien und aufrührerischen Glissandi. Kurze Melodiefragmente werden von Harmonievariationen begleitet und jeweils mit einem Cluster abgeschlossen. Das Stück beginnt intensiv zu grooven. Auf den Pedalen der Kirchenorgel hat Dennerlein eine Technik entwickelt, die der Bass-Simulation ihrer Hammond-B3 entspricht und die ein rhythmisches Fundament setzt, wie es sonst der Kontrabass kann. Die Organistin spielt die Melodielinien über ostinaten Akkorden, dann mit er rechten Hand Harmoniefortschreitungen über den Bassfiguren der linken. Das klingt wie ein Aufschrei. Diese Orgel hat den Blues!

Der Klang des Instruments in der leeren Kirche sei angenehm, hat Barbara Dennerlein beim Probespiel am Tag vor dem Konzert festgestellt. Im gefüllten Raum klangen die Bässe und die tiefen Mittellagen wie in der Einleitung der Rolling-Stones-Nummer „Satisfaction“ fast ein wenig zu weich und zu wenig konturiert. Das änderte sich, wenn die Organistin mit voller Power aufspielte und die Sounds das leicht hallige hohe Schiff zu füllen schienen.

„Waltzing Pipes“ und „Spiritual Movement“ belegen ebenso wie die Interpretationen von Neal Heftis „Lil` Darling“ oder Fast Wallers “Ain´t misbehavin“ – jene fröhlich-traurige Stride-Melodie – ,dass die Jazz-Organistin längst ihren eigenen und unverwechselbaren Stil gefunden hat. Sie swingt unnachahmlich, setzt stark auf Grooves, liebt unterschiedliche Stimmungen sowie die Wechsel zwischen Klangfarbenmalereien und Melodielinien – und sie fasziniert mit unübertroffener drivender Fußarbeit. Sie baut wie in „Satisfaction“ lange Spannungsbögen mit Volumina und Intensitätssteigerungen auf, um sie dann abrupt aufzulösen. In dieser tänzerischen Leichtfüßigkeit, diesen Wechseln von Rhythmen, Metren, Dynamik, Intensität und Klangfarben klingen selbst ehrwürdige Standards frisch und vital.

Zwischen den Stücken erweist sich die Münchnerin als charmante Moderatorin, die die Kompositionen erläutert und über ihre Kindheit plaudert. Das Publikum in der gut gefüllten großen Kirche kann auf einer Leinwand das Spiel Barbara Dennerleins auf der Orgelempore auch optisch verfolgen, zeigt sich von den akustischen Genüssen begeistert und spendet ihr rauschenden Beifall.

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