Jazzwerkstatt jw 2003
Die Improvisationen des Pianisten Alexander von Schlippenbachs gleichen einem stetigen Energiefluss. Mit mühsam gebändigter Kraft meißelt der 1938 in Berlin Geborene die Akkorde in die Tasten. In rasenden Läufen wie in leisen suchenden Single-Notes entwickelt von Schlippenbach ungestüme Energie, die sich auf die Mitspieler überträgt – sei es das Trio mit dem Saxophonisten Evan Parker und dem Schlagzeuger Paul Lovens oder gar die Großformation des 1966 gegründeten und bis heute weiterentwickelten Globe Unity Orchestras.
Mit einer im September 2008 in Ton und Bild aufgenommenen DVD werden auf fast zwei Stunden komprimiert die drei im deutschen Free-Jazz seit 1964 stilbildenden Facetten des vielfach geehrten Pianisten, Bandleaders und Komponisten live dokumentiert: Alexander von Schlippenbach solo, im Trio und mit dem Globe Unity-Orchestra.
Über die Musik mehr zu schreiben, bedeutete, die Eulen nach Athen zu tragen. Deshalb sei die bildhafte Umsetzung auf einer DVD in den Vordergrund gestellt. Der Film intensiviert zwar das akustische Erlebnis, doch zur adäquaten Umsetzung der Musik in Bilder reicht ein Abfilmen der Musiker nicht aus. Vielleicht war ein solcher Film gar nicht angestrebt. Weil die Musik aber so aufregend und emotional attackierend über die gesamte Zeit die Spannung, aufrecht erhält, sieht der Zuschauer über die Immobilität der Kameraführung hinweg. Mehr Schnitte und Abwechslung zwischen Totalen und Großaufnahmen würden schon befriedigen – ganz abgesehen davon, dass etwa in der Trio-Passage nicht der Schlagzeuger oder Pianist gezeigt werden sollten, wenn gerade der Saxophonist seine bekannten endlosen Zirkular-Läufe bläst und Großaufnahmen könnten die Spannung im Gesicht des Pianisten bei seinen energetischen Explosionen unterstreichen. Mehr Bewegung erfasst der Kameramann naturgemäß bei den Stücken des Globe Unity Orchestras und seiner Solisten.
Die DVD aus der Berliner Jazzwerkstatt ist deshalb vor allem als Dokumentation und akustischer Überblick zuempfehlen. Interessant ist auch das Interview Christian Broeckings im Booklet – vor allem wegen der klugen und informativen Antworten von Schlippenbachs, die oftmals weit über die eigentliche Frage hinausweisen.