„Woodchip“ in der Rüsselsheimer Jazzfabrik im Rind, 7. Dezember 2014

Woodchip - Photo: Mümpfer

Text & Fotografie: Klaus Mümpfer 

Die Musik ist laut, drängend, orgiastisch und experimentell. Sie pendelt zwischen Konventionen und Sound-Collagen. Melodische Passagen sind rar, die vorherrschende Stimmung ist Expression. „Woodchip“ im Kulturzentrum „Das rind“ wurde mit der Sängerin Laura Totenhagen und dem Gitarristen Nicola Hein vom Sextett zum Oktett erweitert und hat vor allem mit Heins Soundexperimenten auf dem Saiteninstrument neue Klangfarben gewonnen.

Im Zentrum des Konzertes von „Woodchip um den Schlagzeuger Julian Camargo und den Saxophonisten Fabian Dudek mit dem Trompeter André Becker, dem Posaunisten Gregor Sperzl, dem Bassisten Kevin Licht und dem Keyboarder Jan-Felix May steht an diesem Abend die viersätzige Suite „Remember Motorcity“ von Dudek.

Mit Growl-Effekten, Aufschreien der Bläser, gestrichenem Bass und jaulender Gitarre entsteht eine Soundcollage zu Ehren Rüsselsheims, der Heimatstadt der jungen Musiker, die in Köln und Mainz studieren. Neben „Dicker Busch“ ist wohl der zweite Satz „Hässlich schöne Heimat“ bezeichnend für die durchkomponierte Suite, in der nur wenige Passagen wie das Gitarrensolo der freien Improvisation überlassen werden. Nicola Hein schrubbt mit einem Stab über die Saiten, schaltet den Verzerrer ein und produziert Spannung mit Harmonievariationen. „Mainufer“ und „Rind“ sind weitere Reminiszenzen an Rüsselsheim.

Ostinate Akkorde und Single-Notes benutzt „Woodchip“ offensichtlich gerne, um die Dramatik zu steigern. Keyborder May setzt sie in mehreren Intros ein, die Bläser wiederholen mehrstimmige und schräge Sätze. Zwischen die ekstatischen bis brachialen Parts werden melodische und cantable Passagen geschoben, in denen die Sängerin Totenhagen Vokalisen gurrt und summt, das Altsaxophon gurgelt und das Keyboard mit perlenden Läufen fließt. Doch solche konventionellen Harmonien und Klangfarben werden sofort wieder lustvoll aufgelöst. Die Bläser umspielen einander in verzweigten Melodielinien oder setzen in abgehackten Schreien Akzente, die vom treibenden Schlagzeug unterstrichen werden.

„Luzie verschwindet“ dominiert den zweiten Teil des aufregenden Konzertes. Die dramatische Jazz und Lyrik-Komposition präsentiert den  Schlagzeuger Camargo schauspielerisch als Rezitator. Nach einem instrumentalen Teil mit trügerischem Wohlklang und sanfter Besenarbeit sowie  hymnischem Bläsersatz erzählt er selbstironisch von der Begegnung mit Luzie, die sich als Satan entpuppt und nach einer leidenschaftlichen Vereinigung entschwindet.

Wie schon bei der Debut-EP wirken auch im Konzert die humorvoll gemeinten Vokal-Einlagen im Opener „She said“ aufgesetzt. Abgesehen davon können die Kreativität der Kompositionen und technische Beherrschung der Instrumente überzeugen.

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