Bill Frisell – Guitar in the Space Age!
OKeh Records
Wir müssen uns Bill Frisell als einen glücklichen Menschen vorstellen. Das ist nicht allzu schwer. Ruft man sich Photos des Gitarristen ins Gedächtnis, dann sieht man den freundlich lächelnden all-american Nachbarn aus der weißen Vorstadt vor sich. An der Gitarre ist das manchmal ein versonnenes Lächeln und weit und offen, wenn er einen seiner Musiker anstrahlt.
Erinnert man sich an seine Musik, an frühe Aufnahmen wie „Is That You?“, dann könnte man sich diese Musik auch noch ohne Lächeln vorstellen. Da gibt es Ecken, Brüche und Kanten in der Musik. Abgründe sogar, gelegentlich. Im entsprechenden Umfeld (JMT, Musik mit John Zorn, Hank Roberts…) tummelte sich Frisell sogar im avantgardistischen Jazz.
Seine eigenen Aufnahme bewegen sich allerdings seit vielen Jahren vorwiegend im Bereich von „Americana“. Mit meist großartigen Ergebnissen und interessanten Begegnungen, wie beispielsweise der Zusammenarbeit mit dem eigenwilligem Neo-Folk Sänger Sam Amidon, leider nur live zu Hören bei den Schlossfestspielen in Ludwigsburg vor einigen Jahren.
Getragen werden diese Projekte im wesentlichen durch Frisells stilbildendem Gitarrenspiel mit seinem ganz spezifischen Sound. Ein singend-schwebender Gitarrenklang, der in jedem Umfeld sofort erkennbar ist. Und den Bill Frisell mittlerweile auch jedem musikalischem Sujet überstülpen kann. Mühelos und stimmig bringt er Songs von Bob Dylan, Madonna, Muddy Waters und Aaron Copland auf einer einzigen kleinen CD unter („Have a little Faith“), er nimmt sich Lennon Songs ebenso an, wie er mit Elvis Costello „Love Field“ im Duo spielt.
Gerne rührt Frisell die die „niederen musikalischen Instinkte“ an: die Sehnsucht nach einfachen Songs, scheinbar ohne Ecken und Kanten. Perfekt auf dieser neuen CD verwirklicht. Klassiker der Gitarrenliteratur aus den 1960er Jahren, einige Ohrwürmer, interessante Fundstücke und einige wenige Eigenkompositionen. Musik aus Frisells Teenie-Tagen – und wer wüsste nicht, wie tief sich die Songs in diesem Alter im Unterbewusstsein festkrallen. Das „Space Age“ war auch die Zeit der Beach Boys, deren „Surfer Girl“ zu hören ist – soviel hawaiiesker Mellow-Surfer-Sound steckte noch nie in diesem Titel, die Besetzung mit dem Co-Gitarristen Greg Leisz an der Pedal-Steel Guitar macht es möglich. Einen Tick langsamer als das Original mit einem stoisch entspannten Kenny Wollensen am Schlagzeug und einem „songdienlichen“ Bass, gespielt von Tony Scherr.
Traumwandlerisch zwischen Kitsch und großem Klanggemälde balancierend. So geht es einem bei fast allen Titeln dieser CD: auf der einen Seite fast schon sklavisch an Melodien und Harmonien der Originale hängend und dann hört man in „Rumble“ doch auf einmal im Hintergrund ein großartiges Solo und mit ein paar hingeworfenen sphärischen Gitarrentönen wird der Raum des Titels um Welten erweitert. Das ist vielleicht das Geniale an Bill Frisells Musik – dem einen ist sie die Entspannungsmusik zum Nachmittagstee. Wer sich nicht auf Anhieb einlullen lässt, dem bietet auch dieses Werk das Frisell-typische Hörabenteuer beim intensiven Lauschen.
Gelungen ist auch bei dieser CD wieder das Artwork: bunte Collagen, die spielerisch Motive der damaligen Zeit zusammenfügen: Raumanzug, Flowerpower, TV aber auch Atomkraft und Wolken aus denen kleine Bomben regnen…
(fs)
PS: Dass Bill Frisell ziemlich souverän mit der ambivalenten Rezeption seiner Musik umgehen kann, zeigt das folgende Bild, gepflückt von seiner Website.
PPS: In der aktuellen Ausgabe der Jazzthetik findet sich Frisell nicht nur auf dem Titelbild sondern auch mit einem etwas längeren Artikel, den sich der Rezensent (erst) jetzt auch einmal zu Gemüte führt.