Darmstadt – Im Frühjahr stets lädt das Institut für Neue Musik und Musikerziehung nach Darmstadt ein, um musikalische Analyse, Theorie, Praxis und Didaktik miteinander zu verbinden. Das Überthema zur letzten Hauptarbeitstagung des Jahrhunderts lautete „Neue Musik 1999: Bilanz und Perspektiven“, eine wahrhaft vielschichtige Angelegenheit. Eröffnet wurde die Veranstaltungreihe mit einem Vortrag und einem Portraitkonzert des Karlsruher Kompositionsprofessors Wolfgang Rihm, der in der südhessischen Metropole 1970 im Alter von 18 Jahren als Tonschöpfertalent debütierte.
Bei den Aktualitäten durfte der Jazz nicht fehlen. Nach Vorträgen von Peter Niklas Wilson und Wolfram Knauer, die mehr die historischen Bezüge beleuchteten, informierte Bert Noglik prägnant über die Gegenwartskultur. Ein klare Absage erteilte der Leipziger Experte der epigonalen Imitation des Bebop-Stils, wie es vielfach an Musikhochschulen praktiziert wird. Der Jazz habe nur Zukunft, wenn sich auf der swingenden Basis die Künstlerpersönlichkeiten individuell ausdrücken könnten und offen seien für Einflüsse von Rock, Neuer Musik und „Ethno-Folk“.
Das praktische Exempel hierzu lieferte dann zunächst der Klarinettist und Saxophonist Michael Riessler, der sein aus Klang-Klischees gesampeltes Halbstunden-Hörspiel „Ji-Virus“ als Improvisationsauslöser einbrachte. Mit dem Ulmer, der mit der französischen Jazz-Szene der „Imaginären Folklore“ bestens kooperiert und auch schon Kagel und Lachenmann interpertierte, spielten im gleichen Konzert noch der japanische Perkussionist Isao Nakamura, der amerikanische Posaunist Mike Svoboda und der in Duisburg lebende Pianist Bernhard Wambach. Ähnlich universell agierte das Schweizer Trio mit Hans Koch (Holzblasinstrumente), Martin Schütz (Cello) und Fredy Studer (Schlagzeug) auch hier bedienten sich die improvisierenden Instrumentalisten der Computer-Technologie und präparierter Bänder.
Konsterniert über die Behandlung der Zeitgenössischen Tonkunst zeigte sich Armin Köhler, der im Südwestrundfunk auch das Donaueschinger Festival organisiert. Als zukunftsträchtig empfindet der Redakteur das Internet, wo der User – im Zeitalter der Auto-Radio-Berieselung – gezielt Wort- und Bildinformationen abrufen und konzentriert die akustischen Ereignisse rezipieren können.