
Parma. Am 29. Juli verstarb 84-jährig der italienische Komponist und Pianist Giorgio Gaslini, der Jazz ganz unorthodox nicht nur mit Zwölftonmusik zu verbinden trachtete.
Der am 22. Oktober 1929 in Mailand geborene Gaslini studierte am Verdi-Konservatorium in Milano. Als Pianist fühlte er sich schon seit Beginn seiner musikalischen Laufbahn dem Jazz verbunden und spielte so in verschiedenen Gruppen. 1957 stellte er beim 2. Internationalen Jazz-Festival in San Remo seine Komposition „Tempo e Relazione op. 12“ vor, die er als „das erste Beispiel für eine ideale Verbindung von Jazz und Dodekaphonie“ bezeichnete.
Gaslini war wohl der erste europäische Komponist der Zeitgenössischen Musik gewesen, der „ausgewachsenen“ Free Jazz mit Formen und Strukturierungen der Neuen Musik zu kombinieren trachtete. Dies tat er 1966 auf der Platte „Nuovi Sentimenti“ (Neue Gefühle) zusammen mit den profilierten amerikanischen Jazzmusikern Don Cherry, Steve Lacy, Gato Barbieri, Kent Carter und den Italienern Enrico Rava und Aldo Romano. Gaslini gewährte den Solisten Freiheiten zu Kollektiv-Improvisationen, die er allerdings in ihrer Instrumentalzusammensetzung präzise arrangierte. Zu spontanen Interaktionen und zu – für den Third Stream typischen – Solokadenzen, bei denen (offensichtlich) über eine vorgegebene Zwölftonreihe improvisiert wurde, kam es selten.
Auch durch Dirigiergesten bestimmte er die musikalischen Abläufe. Soweit vom Höreindruck feststellbar, hatte Gaslini die Jazzmusiker nicht durch allzu penible Vorschriften über ein vertretbares Maß hinaus „gegängelt“. Die Spontaneität und die Vitalität konnten weitgehend bewahrt werden. Der Schlagzeuger Aldo Romano bestätigte mir dies 1973 in einem Gespräch und unterstrich, dass sich eben nicht eine so große Spontaneität der Musiker lösen konnte, wie es in einer völlig freien Improvisation der Fall gewesen wäre. Trotzdem gefielen ihm die Gaslini-Kompositionen und die Zusammenarbeit mit Gaslini. Romano wörtlich: „very nice!“. Desgleichen seien an der Konzeption Giorgio Gaslinis Steve Lacy und Enrico Rava sehr interessiert gewesen.
Als Pianist bewegte sich Giorgio Gaslini in einer Klangwelt, die etwa an Paul Hindemiths „Suite 1922“ erinnert. Der meist impressive Charakter der Gaslini-Musik entsprach oft der von Paul Bley und Carla Bley Mitte der 1960er Jahren praktizierten Musik.