United Jazz & Rock Ensemble in Mainz 26. Oktober 2002

Volker Kriegels Mutter ist 91. Und sie ist, wie er Wiesbadener Gitarrist versichert, eine seiner härtesten Kritikerinnen. An diesem Samstag dürfte die alte Dame mit ihrem Sohn sehr zufrieden gewesen sein. Zum „Grande Finale“ des United Jazz & Rock-Ensembles steuerte der Gitarrist nicht nur drei mitreißende Kompositionen, sondern mit seinen mal coolen Single-Note-Linien, mal flirrenden und gleißenden Blues-Rock-Fusion-Läufen bemerkenswerte Soli bei. Das schnelle, swingende „Double Bind“, das melodisch kühl beginnende und später in den Tutti heiß kochende „Postcard für F.W.Bernstein“ zeigen die Bandbreite des Komponisten.

Begonnen hatte das Konzert mit einer jener verspielten und doch verqueren Piano-Einleitungen Wolfgang Dauners. „Ausgeschlafen“, eine Komposition des Pianisten, ist zum Markenzeichen des United Jazz & Rock Ensemble geworden. Da stoßen die expressiven, coltranenesken „sheets of sounds“ des Saxophonisten Christof Lauer auf das abgeklärte, meist ruhig swingende mehrstimmige Spiel des Posaunisten Albert Mangelsdorff. Später prallen die obertonreichen Soloimprovisationen des Frankfurters in dem Duo-Stück „Ganz schön heiß, Mann“ – in Anspielung auf den Schlagzeuger Jon Hiseman – mit dessen motorischem und vielschichtig polyrhythmischen Hochgeschwindigkeitsspiel aufeinander. Hier zeigt sich zugleich eines der Phänomene dieser Band derBandleader. Obwohl oftmals musikalische Welten zwischen den Künstlern liegen, wirkt diese stilistische Verschiedenheit nicht als Hemmnis, sondern eher als Reibungshitze, die den Entwicklungsprozess beschleunigt.

Da steht die Lauer-Komposition „Flying Carpets“ mit den ekstatischen, überblasenen High-Notes und den Stakkati in den Mittellagen neben dem balladesken „Flügelhorn im Herbst“ aus der Feder von Ack van Rooyen mit dem warmen und tragenden Klang des Instruments. Es erklingt die hymnisch anmutende „Wiederkehr“ der britischen Saxophonistin Barbara Thompson – einem Stück das dunkel timbriert von singenden Saxophon-Linien und Fanfarenstößen gleichenden Trompetensätzen geprägt wird. An diesem Abend der endgültig letzten Tournee des UJ&RE hören die mehr als tausend Fans in der Phönixhalle natürlich auch Dauners „Wendekreis des Steinbocks“, eines jener typischen komplexen, romantisch und zugleich free inspirierten Themen auf dem Piano, in dessen Verlauf Dauner seine ostinaten Melodiefloskeln unter ein fulminantes Bass-Solo von Dave King legt. Mangelsdorffs „Meise vorm Fenster“, ein Big-Band-Arrangement aus drei Tönen, die der bewusste Vogel in aller Frühe vor dem Haus des Musikers nerventötend zirpte, leitet der Posaunist ebenso mit einer amüsanten Anekdote ein wie Rooyen seine Komposition „Fügelhorn im Herbst“. Der vielzitierte „human factor“ verschweißt also nicht nur die Band der Individualisten, sondern auch die Musiker mit ihrem Publikum.

27 Jahre mit nur wenigen personellen Wechseln führten das United Jazz & Rock Ensemble zu einer Kontinuität, der ein bisschen Gediegenheit anhaftet. Im Sound ist sich die Band treu geblieben. Ihre Arrangements stehen wie ein Fels in der Brandung der musikalischen Gezeitenströme. In den solistischen Improvisationen setzen Wolfgang Dauner, Volker Kriegel, Dave King, Jon Hiseman, Ack van Rooyen, Ian Carr, Rüdiger Baldauf, Barbara Thompson, Christof Lauer und Albert Mangelsdorff jedoch immer wieder Glanzlichter, die selbst alte Stücke frisch wie am ersten Tag wirken lassen. Kein Wunder, dass das Publikum die Band mit stehenden Ovationen feierte.

| Mümpfers Jazznotizen

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