Trio „A Coral Room“ spielte in Rüsselsheim, 27. Juli 2014

Coral Room - Foto: Mümpfer

Improvisationen und Elektronik

Am blauen Himmel über dem Rüsselsheimer Stadtpark ziehen beim Konzert des Jazzcafés „Rind“ weiße Sommerwolken. Nahezu monoton ist die ostinate Schlagbasis von Oliver Rubow, über der ein Computer Regenrauschen einspielt. Oliver Leicht bläst dazu sanfte Flötentöne und Matthias Vogt webt auf seinem Keyboard-Synthesizer lounge-ige Harmonieteppiche. „A Coral Room“ nennt Vogt, sein neues Trio in Anlehnung an einen Song von Kate Bush. Das Trio bindet elektronische Verfremdungen, Sounds, Loops, Hall und Echo in seine Improvisationen ein. Die sind zwar vage abgesprochen, gewähren aber den Musikern weitgehende Freiheit. Lediglich die Sensibilität der Interaktionen setzt Grenzen und verbindet sie. „Der einzige kompositorische Teil ist die Entscheidung, zwei Sets zu spielen“, sagt Oliver Leicht scherzhaft.

Jazz ist die Musik des Trios nur in der weit gefassten Auslegung. Grenzen werden aufgebrochen. Vordergründig wabern und flirren Sounds, doch unter der Oberfläche entstehen quirlige, pulsierende, treibende Klänge und Rhythmen, die von den elektronischen Experimenten bestimmt sind sowie hin und wieder von singenden akustischen Saxophonläufen oder schwebenden Melodielinien auf der Flöte aufgebrochen werden. Ostinati und Klangfarbenspiele sind unüberhörbare Bestandteile der Improvisationen. Schlagzeuger Rubow trommelt handgemachte Beats, die oft über längere Zeit durchlaufen. Zugleich steuert er über sein akustisches Schlagzeugspiel Soundeinsprengsel von Computer.

Unvermittelt plaudert im Hintergrund eine Erzählerin über Abenteuer und Freundschaft, führt Schlagzeuger Rubow mit einer vielschichtigen und polyrhythmischen Passage das Trio, bevor er die Leitung an Keyboarder Vogt weitergibt. Leicht greift die musikalischen Einwürfe mit ostinaten Melodiefragmenten auf dem Saxophon auf, um sie anschließend mit dunklen Laptop gesteuerten Verfremdungen der Klarinettentöne abzurunden. Zitate fügen sich in die ausgedehnten Improvisationen ein. Eine schnelle und tänzerische Flötenpassage assoziiert Ian Anderson.

Improvisationen sind Herausforderungen. Was für einen Solisten gilt, ist für ein Trio gefährlich, wenn die Musiker nicht traumhaft sicher aufeinander eingespielt sind. Vogt, Leicht und Rubow sind in „A Coral Room“ gleichberechtigte Partner, die aus ihren Erfahrungen jeweils eigene Ideen und Spielweisen einbringen. Rubow beschäftigt sich seit Jahren mit der Ästhetik elektronischer und programmierter Rhythmen. Leicht sammelte Jazz- und Improvisationserfahrung unter anderem bei der hr-Bigband und spielt gemeinsam mit dem DJ-erprobten Keyboard-Spezialisten Vogt in der Formation „(re:jazz)“. So steuern drei ausgereifte Persönlichkeiten unterschiedlichen Input bei. Das macht die Symbiose von Jazz und Elektronik des Trios so spannend, dass die zahlreichen Zuhörer beim Konzert des Jazzcafés im Stadtpark bis zum Schluss ausharren.

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