Vor Chet Baker fand „My Funny Valentine“ im Jazz kaum Beachtung. Der Trompeter hat den Song 1952 populär gemacht und so darf er in Mainz beim „Treffpunkt Jazz – The Chet Baker Story“ nicht fehlen. Axel Schlosser spielt die Komposition von Richard Rogers zum Abschluss des Konzertes sanft und gebrochen mit leichtem Vibrato, zwar mit strahlenden Höhen, aber auch mit den Atemgeräuschen in den Untertönen. Kongeniale und sensible Begleiter des Lead-Trompeters der hr-Bigband und Professors an der Mainzer Musik-Hochschule sind die Studierenden Nico Hering am Flügel, Bastian Weinig am Kontrabass und Julian Camargo am Schlagzeug. Um Chet Baker nicht nur als Instrumentalisten, sondern auch als Vokalisten zu präsentieren, singt und scattet Alexander Traxel mit warmer, dunkel-timbrierter Stimme „Everything happens to me“ aus dem 1958er Album „Chet Baker sings“.
Nicht sentimental, sondern mit der gebotenen Sprödigkeit und Distanz schildert der frühere ZDF-Korrespondent in den USA, Claus Kleber, die Lebensgeschichte des Künstlers, der als Weißer im Jazz viele farbige Kollegen in den Schatten stellte und der in der Zerrissenheit von Heroinabhängigkeit und künstlerischer Schöpfungskraft scheiterte. Die Ursache seines Todes in einem holländischen Hotel werden wohl nie ganz geklärt werden.
„Wir werden mit diesem Konzert Chet Baker wohl näher kommen als in den Aufnahmen und Büchern über ihn“, meinte Kleber bei seiner Textauswahl zur „Geschichte eines gefallenen Engels“. Baker habe trotz seiner Sucht nie die Maßstäbe für Qualität verloren. Der Rezitator belegt diese Behauptung mit Zitaten aus den Büchern über den Trompeter sowie aus Kommentaren kompetenter Kritiker und von Zeitgenossen des Künstlers. Seine geschickt ausgewählten Texte beleuchteten das Leben, das Schaffen und die Besonderheiten des Cool-Jazz, der keineswegs kühl, sondern sehr emotional gewesen sei. Baker spielte und sang zart und zerbrechlich, interpretierte „beschädigte“ Songs. „Er spielte einfach – ohne Pathos. Melodisch und verhangen mit melancholischem Zauber.“
„Ich wollte Chet Baker nicht imitieren“, betont Axel Schlosser. Doch mit leichtem Vibrato, gebrochenen Akkorden, verhaltenen High-Notes und fließenden Läufen nähern sich er und seine Partner dem Idol, der 59 Jahre alt wurde. Pianist Nicolas Hering brilliert mit suchenden und tastenden Akkorden in „My funny Valentine“ sowie an anderer Stelle mit kraftvollen schnellen Läufen. Seine virtuosen Akkordeinwürfe zu den fließenden Trompetenlinien in „Bernie´s tune“ und „You´re drivin´me crazy“ sind ebenso bemerkenswert wie Bastian Weinig mit straighten Läufen und einem harmonisch reizvollen Bass-Solo in „Not for me“. Julian Camargo besticht mit sensibler Besengrundierung auf den Fellen oder treibender Schlagzeug-Basis. Axel Schlosser, der auch aggressiv attackieren kann, betont an diesem Abend seinen wunderbaren und teils seidenweichen Ton auf der Trompete und dem Flügelhorn. Die Studierenden zeigen als Partner Schlossers eine inzwischen fast selbstverständliche musikalische und technische Reife.
Vor der anschließenden Jam-Session der Studierenden mit Schlosser begeistern Sebastian Sternal am Piano, Trompeter Schlosser und Sänger Alexander Gelhausen von der Musikhochschule das Mainzer Publikum im überfüllten Frankfurter Hof.