Summertime-Blues mit Amar Sundy und Hot Potatoes in Mainz, 10. Juli 2007

Es ist ein Konzert-Abend reizvoller und lehrreicher Gegensätze: Auf der einen Seite die sorgsame und liebevolle Aufbereitung des Blues von New Orleans bis zur South-Side von Chicago durch die „Hot Potatoes“ um Reimer von Essen – stets auf den Spuren des Klarinettisten Johnny Dodds und seines jüngeren Bruders Baby Dodds, der Washboard und Schlagzeug spielte. Auf der anderen Seite der „Wüstenblues“ des Tuareg-Musikers Amar Sundy, der nordafrikanische Sangesfolklore und Harmoniebildung mit dem hart rockenden Big-City-Blues von Chicago verknüpft. Mit beiden Bands sowie einem kurzen Soloprogramm des Kabarettisten Thomas C. Breuer beschließt der SWR in Mainz sein diesjähriges Programm „Kultur im Foyer“.

Den Weg des Pariser Targi- und Blues-Musikers Sundy verrät der Titel einer seiner CDs: „Hoggar – Chicago – Paris“. Er singt in der Sprache seines Geburtslandes und in Französisch, doch die heiß vibrierenden Glissando-Läufe auf seiner Gitarre verraten den direkten Kontakt zu den amerikanischen Blues-Legenden wie Albert King, mit dem Sundy unter anderem gespielt hat. Der Gitarrist reißt kraftvoll die lautstarken und gleißenden Melodielinien aus den Saiten, Schlagzeuger Yoann Schmidt lässt die Rhythmen rockend stampfen, Bassist Antoine Vierny legt eine groovende Basis und Francois Favre an den Keyboards sowie der Klangteppiche webenden Hammond B3 wechselt zwischen perlenden Läufen und Akkord-Schichtungen in der Begleitung sowie in den mitreißenden Soli. „Men `na“ ist ein Titel, zu dem Sundy die Zuhörer zum Mitsingen auffordert, „Say he“ ein anderer. So führt der Tuareg aus Algerien die Mainzer Fans beim Summertime-Blues des Südwestrundfunks tief in die Savanne und über das aufrührerische Chicago zurück nach Paris. Von hier aus trägt er seinen inzwischen gereiften Mix aus rockigem Blues und Wüstensounds erstmals nach Mainz und damit nach Deutschland.

In ein Chicago längst vergangener Zeiten sowie noch weiter zurück nach New Orleans versetzt die Gruppe „Hot Potatoes“ um den Klarinettisten und Saxophonisten Reimer von Essen die Zuhörer. Es ist die Zeit, in der Johnny Dood´s Washboard Band mit Johnny an der Klarinette und Baby an Schlagzeug und Waschbrett spielte. Im Juli 1928 wurden in Chicago Aufnahmen wie der „Blue Washboard Stomp“ und der „Blue Fiddle Blues“ aufgenommen. Die Nähe zum archaischen und ländlichen Blues ist in der Musik noch gegenwärtig, ebenso wie in der Besetzung mit Gitarre, Waschbrett, Klarinette und Kornett. „Easy come, easy go“ mit den vielen harmonischen Raffinessen, „Would you be my Sugar-Pa“ mit der eindeutigen Zuordnung zum Vaudeville-Geschehen oder das berühmte „Oriental Man“ aus Johnny Dodds Feder – Reimer von Essen erläutert auf seine charmante Weise Herkunft und Spielweise der so einfach wirkenden Kompositionen.

Herbert Christ mit der Trompete und von Essen an der Klarinette umspielen einander in Melodieführung und harmonischen Verzierungen, die Klarinette steigt von den sonoren Mittellagen kraftvoll in die Höhen, das Kornett von Christ sowie später die Trompete von Horst Schwarz glänzen in den High-Notes, Simon Holliday lässt das Piano in Rags hüpfen und schiebt auch mal eine kurze Double-Time-Passage ein. Auf dem Waschbrett pflegt Schwarz das sparsame klopfende Spiel aus New Orleans, während Dieter Nentwig auf dem gleichen Instrument eher swing-orientiert aus dem Vollen schöpfte. Ganz den Wurzeln des Blues verpflichtet zeigt sich die Band schließlich in den Stücken mit dem Gitarristen und Sänger Bernhard Dill. 
Es ist gleichsam ein Gang durchs Blues-Museum, in dem die „Hot Potatoes“ Kleinodien entdeckt, erfrischend und zugleich authentisch aufbereitet und mit Liebe präsentiert haben. Amar Sundys Wüstenblues hingegen verspricht das pralle und vitale Leben – druckvoll und gegenwärtig.

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