Die ersten, in Akkordgriffen angerissenen Melodiefragmente auf der elfsaitigen Oud klingen fremdartig und doch vertraut. Es sind arabisch geprägte Stimmungen, wie man sie von dem seit Jahrzehnten in Deutschland lebenden Libanesen Rabih Abou-Khalil gewohnt ist. Doch dann steigt Luciano Biondini mit dem Akkordeon ein, der Rhythmus wechselt, wird von Jarrod Cagwin auf der Rahmentrommel forciert und der Sänger Ricardo Ribeira hebt mit kraftvoller und tragender Stimme an. Der portugiesische Fado gibt ein wenig von seiner getragenen Melancholie auf und passt sich der arabischen Polymetrik an. Das „como um rio“ wird geprägt von ständigen Wechseln zwischen der Fado-Balladentradition und rasanten Läufen auf der Kurzhalslaute Oud. „Ich weiß nicht, wie er es macht, aber er kann den komplizierten, schnellen und abrupt wechselnden Rhythmen meiner Kompositionen gesanglich folgen“, lobt Abou-Khalil. Beim Konzert im Frankfurter Hof können die Zuhörer fasziniert verfolgen, wie ein offenkundig selbstvergessener Portugiese den rasanten Tempi und modalen Skalen des Oud-Virtuosen antwortet. Vielleicht hilft Ribeiro dabei, dass er mit Kehlkopf und Händen zugleich agiert.
„A lua num quarto“ hebt sanft mit dem Akkordeon an, der Gesang ist erfüllt von schmachtender Sehnsucht, dem Kern des „saudade. „Amarrado à saudade“ wiederum kontrastiert dazu in schnellen und kraftvollen instrumentellen Passagen und vokalen Ausbrüchen des Verlangens, das der Komponist bei der Vertonung der portugiesischen Gedichten so einfühlsam und dennoch eigenständig in der Begegnung von Orient und Okzident in Noten und Rhythmen umgesetzt hat. Wie kongenial dabei der Percussionist Cagwin und vor allem Tubist Michel Godard dabei unterstützen, belegt „Se o meu amor me perdisse“, ein Paradestück für die Begegnung östlicher und westlicher Folklore mit Jazzelementen. Als Bravourstücke bleiben das Duo des Sängers mit dem in schnellen Stakkati blasenden Tubisten, das Oud-Spiel Abou-Khalils in „Casa da Marinquinhas“ sowie der inbrünstige Gesang im Dialog mit dem teils melismatisch gezupften Spiel auf der Oud in „Beijus ateus“ in Erinnerung.
„Em portugués“ ist der Titel des nunmehr fast ein Jahr alten Projektes, auf das sich Rabih Abou Khalil auf Bitten des Direktors der Nationaltheaters Porto, Ricardo Pais, eingelassen hat. Der Libanese, der nach eigenem Bekunden kein Wort Portugiesisch versteht, mag vielleicht an die maurische Vergangenheit Portugals gedacht haben. Dass das Abenteuer dann so gut gelang, ist wohl auch der Begegnung mit dem 27-jährigen, stimmgewaltigen Ricardo Ribeiro zu verdanken. Es entsteht eine ideale Verbindung arabischer Melodiekunst mit portugiesischer Fado-Inbrunst, von sehnsüchtig-melancholischem Fado mit dem lyrisch-samtenen und zugleich kraftvollen Oud-Spiel. Die Kompositionen verschmelzen die Einflüsse auf eine zeitlos wirkende Art.
Das Publikum zeigte sich vorn dieser grenzüberschreitenden und Grenzen einreißenden Musik so begeistert, dass es mehrere Zugaben forderte und zum Schluss mit einem sensiblen Duo-Stück von eindringlichem Oud-Spiel und samtweichem Gesang belohnt wurde.