Polnische Trompetentöne in St. Katharina


Polnische Trompetentöne in St. Katharina

NÜRNBERG. Ob es in Deutschland – und insbesondere in Nürnberg – eine „PolenAllergie“ zu beklagen gibt, mag dahingestellt bleiben. Wenigstens nennt sich ein in der bayrisch-fränkischen Metropole nun zum zweiten Mal durchgeführtes Festival so. Initiatorin ist Grazyna Wanat vom Kulturzentrum „Krakauer Haus“. Aktueller Jazz aus dem östlichen Nachbarland soll nun zum probaten „Impfstoff“ gegen eine (angebliche) „PolenAllergie“ dienen.

Nürnberg hat mit seinem (wegen verweigerter städtischer Subventionen inzwischen eingestellten) Festival „Jazz Ost West“ wirklich Unüberschätzbares geleistet: Der Eiserne Vorhang wurde auf musikalischer Ebene schon früh eingerissen – bereits Ende der 60er Jahre. Der in Nürnbergs Partnerstadt Krakau aufgewachsene Trompeter Tomasz Stanko gehörte zu den Stammgästen der Biennale. Und da Stanko früher eine Zeitlang in Würzburg wohnte, war ihm Nürnberg auch geografisch ganz nahe.

Nun durfte Tomasz Stanko (66) als Highlight brillieren. Am Nachmittag herrschte in Nürnberg noch Gewitterunwetter samt vereinzeltem Hochwassernotstand, doch als der Trompeter am Abend auf die Open-Air-Bühne der Katharinenruine trat, strahlte ihm vom blauen Himmel die Sonne entgegen. Als interaktive Begleitband brachte Stanko das „Simple Acoustic Trio“ um den Pianisten Marcin Wasilewski mit. Entgegen der eigentlichen Trio-Konzeption, die zumindest früher mehr von einem Gesamtklang als von Solo-Exkursionen geprägt war, gab es nun viel Freiraum für individuelle Improvisationen. Geschmackvoll und keineswegs circensisch wurden die einzelnen Improvisationen entwickelt, aufmerksame Kommunikation untereinander stets beachtend. Auf diese Weise nuanciert wie intensiv agierten neben Wasilewski auch der recht melodiöse Kontrabassist Slawomir Kurkiewicz und der subtile Schlagzeuger Michal Miskiewicz, der ansonsten seine Anpassungs- und Wandlungsfähigkeit sehr oft im Warschauer Jazzlokal „Tygmont“ demonstrieren kann. 

Sachlich und nüchtern lief die Performance in St. Katharina ab. Nicht einmal die Titel sagten die beim Münchener Label ECM unter Vertrag stehenden Jazzer an. Als sie als Zugabe die von Krzysztof Komeda komponierte Titelmelodie aus Polanskis Kultfilm „Rosemary’s Baby“ intonierten, kam vom aufmerksam lauschenden Publikum freudiger Erkennungsbeifall auf. Zuvor hatten die vier Polen ein abwechslungsreiches Programm zwischen sanften Balladen und akzentuierten Up-Tempo-Nummern geboten. Variabel und versiert setzte Tomasz Stanko seine drahtlos verstärkte Trompete ein: Angekratzt und luftig, cool und rockig, growlend und schreiend mit „sheets of sounds“, jubilierend und sanftmütig.

Beschlossen wurde das viertägige Festival am gleichen idyllischen Veranstaltungsort durch das arrivierte Duo des nunmehr im Badeort Sopot residierenden Pianisten Leszek Mozdzer mit dem schwedischen Cellisten und Bassisten Lars Daniellson. Zuvor hatten im „Krakauer Haus“ das Trio des in Posen geborenen und mittlerweile in Nürnberg lebenden Gitarristen Flip Wisniewski und im „Jazz Studio“ das elektrosoundexperimentierfreudige Ensemble „Pink Freud“ (Danzig) gespielt.

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