Das Konzert habe ihm unbändigen Spaß bereitet, sagt Klaus Doldinger mit einem Lob für das Publikum, als er nach fast drei Stunden in der Garderobe seine Saxophone zusammenpackt. Keine Spur von Müdigkeit, obwohl er sich mit seinen inzwischen 72 Jahren weniger Selbstbeschränkung auferlegt hatte als viele Altersgenossen bei deren Auftritten. Klaus Doldinger spielt noch immer mit bewundernswerter Kraft und Intensität ausgedehnte Soli und Duette mit dem Gittaristen Peter O`Mara und dem Percussionisten und Vokalisten Biboul Darouiche sowie im dichten und komplexen Kollektiv der Band „Passport“ – mal in der sonoren Lage der Balladen-Altmeister , mal in den hitzigen Stakkati der Bebopper oder Fusion-Größen. So ist er selbst zu Lebzeiten eine Legende in der Jazz- oder besser Jazzrock-Geschichte geworden und stellte dies beim Konzert der „Jazzfabrik“ im Rüsselsheimer Theater unter Beweis.
„Passport“ hat Doldinger 1971 gegründet. Die Formation erlebte einige Wechsel, doch das musikalische Konzept bewahrte der Saxophonist, Komponist und Bandleader über die Jahrzehnte. Der typische rhythmische Drive wird von dem Percussionstrio mit Christian Lettner am Schlagzeug sowie Ernst Ströer und Darouiche an Congas, Trommeln und Rasseln bestimmt. Das Tenorsaxophon legt lang schwingende Dunkel timbrierte Linien über einen Soundteppich, den Christian Elsässer auf dem Roland-Synthesizer webt oder kriecht mit singbaren Melodielinien auf dem Sopransaxophon ins Gemüt der Zuhörer Für eine attackierende Grundierung im Powerplay sorgt Bassist Patrick Scales und O`Mara wechselt je nach Notwendigkeit zwischen flirrenden Läufen und Glissando-Pssagen sowie raffinierten filigranen Melodielinien.
In Ray Hendersons Standard „Bye Bye Blackbird“ zupft O`Mara solche coolen Single-Note-Ketten wie er sie bei Jim Hall und Wes Montgomery liebte, während Doldinger ein kurzes Vibrato anbläst und die Luftsäulen im Tenorhorn mitwirken lässt. Der schlicht und naiv wirkende Charme des Evergreens kommt dem Musiker entgegen. Auch seine Kompositionen ziehen ihre Ohrwurmqualitäten aus eher schlicht wirkenden Melodien, um die herum er seine fetzigen Sounds der Saiten-Zupfer, die exotischen Klangwolken der Keyboards und die treibende Rhythmik der Percussionisten konstruiert.
Ob auf Tenorsaxophon, Sopransaxophon oder Flöte, Doldinger verbreitert den Naturton der Instrumente elektronisch mit Hall, Echo sowie zuweilen mit Loops. Etwas aus diesem Rahmen fällt neben der betont jazzig dahinfliegenden Blackbird (Amsel) das Saxophon-Vokal-Duo „Lucky Loser“. Mitreißend wird die Samba-Nummer „Sambukada“ vom Album „Iguacu“ in Rüsselsheim neu formuliert, intensiv groovend ein Boogie von „Back to Brazil“. So wie er viele altbekannte Kompositionen eben aus „Back to Brazil“ und „Passport to Marocco“ oder gar das betagte „Ataraxia“ für seine neuen Doppel-CD „On Stage“ auffrischt, für die er in Rüsselsheim wirbt. Da ist die Ballade „After hours“, mit der Doldinger sich an jene sechziger Jahre erinnert, in denen er mit seiner Band bis morgens um vier in den Clubs spielte und die Pärchen nach Mitternacht mehr schmusten als tanzten. Souverän und humorvoll sowie stets mit dezentem Hinweis auf seine musikalische Entwicklung moderiert der Meister das Konzert und stellt die Stücke vor. Natürlich darf in einem solchen Rückblick auch eine seiner Filmkompositionen nicht fehlen. Doldinger wählt eine Suite aus, die aus dem Hit „Das Boot“ entstanden ist – ein bedrohlich wirkendes Klangfarbenspiel mit verdichteten Kollektiven von ungeheurer Intensität.