Motorik und Lyrismen

Esslingen – Aki Takase und Conrad Bauer konzertierten schon mehrmals in Esslingens Dieselstraße 26 – aber bislang nie als Duo. Bereits 1985 spielte die japanische Pianistin, die vier Jahre zuvor beim JazzFest Berlin ihren europäischen Durchbruch feiern konnte, in Sapporo mit dem damals in der DDR führenden Posaunisten zusammen. Mittlerweile wurde Aki Takase in Berlin (bei dem Free-Jazz-Innovator Alexander von Schlippenbach) heimisch, und die deutsche Avantgarde-Jazz-Szene war eigentlich auch schon vor über einem Jahrzehnt vereint. Kein (organisatorisches) Problem also, in Clubs und auf Konzertbühnen wieder kommunikative Dialoge der musikalischen Art zu führen. Der Auftakt des Herbstprogramms vom „Jazz in der Dieselstraße“ durfte sich eines guten Publikumszuspruchs erfreuen.

 Anfangs hatte Conny Bauer (Jahrgang 1943) zwar noch mitIntonationsproblemen zu kämpfen, aber zunehmend wurde das Zusammenspiel harmonischer. Der von Aki Takase komponierte Opener „Rudi My Beer!“, den die Pianistin mit dem Baßklarinettisten Rudi Mahall schon auf Platte verewigt hat, demonstrierte die musikalische Spannweite der 1948 in Okasa geborenen Künstlerin: wilde und starre Motorik (vornehmlich in Riffs und Ostinati) gegen feine Lyrismen.

 In einem unbegleiteten Solo wandelte Aki Takase auf den Spuren des Musik-Revolutionärs John Cage: sie präparierte den edlen Flügel mit Metallkörpern und ließ so zufällig und gezielt die Saiten rasseln, schnarren und scheppern. Tischtennisbälle sprangen im Flügelinneren herum, wurden schließlich aus dem Instrument katapultiert – und hüpften perkussiv auf dem Podiumsboden weiter. Die Japanerin klang da zuweilen wie ein balinesischen Gamelanorchester, eher sie verschmitzt zu Western-Melodien und US-Entertainment ansetzte.

 Wie sein West-Kollege Albert Mangelsdorff, so vollführt auch Conrad Bauer gerne Interferenztöne, eine Mehrstimmigkeit, die durch gleichzeitiges Blasen und Singen ins Instrument erzeugt wird. Zudem trickste er gleichfalls mit der Zirkularatmung, welche fast endlose Töne ermöglicht. Freilich: den jüngst von dem Costaricaner Escalente aufgestellten Rekord, der in sein Saxophon ununterbrochen eineinhalb Stunden und 45 Sekunden geblasen haben soll, wollte der Ostberliner nicht brechen. Insgesamt wurde bei Conny Bauer doch aufregende Musik daraus. Bei aller ungestümen Vehemenz, mit der der Posaunist zuweilen zum Zuge kommt, geht die Sensibilität zu feiner Mikrotonalität und zur ausgetüftelten Polyphonie nicht verloren. Und dann klingt es auch mal ziemlich traditionell funky, bluesig und in Bebop-Manier.

Zusammen tönen Aki Takase und Conny Bauer in „Echtzeitmusik“ auch wie Moderne Musik vom Anfang unseres Jahrhunderts, man meint den 100jährigen George Gershwin „blue-rhapsodisch“ herauszuhören oder und barocker Art und Weise werden die Linien kunstfertig kontrapunktisch verflochten. Und immer wieder erscheint Folkloristisches von Fernost: ein Erbe, das die universell ausgebildete Aki Takase authentisch einzubringen vermag. Gemeinsames Improvisation mit wacher Interaktion macht’s möglich.

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