Pianist Martial Solal – Frankreichs Pluralist mit Kultur
Schon vor drei Jahren erklärte Martial Solal, dass er nie mehr in die Tasten greifen werde – weder öffentlich, noch im Studio oder privat…
Ich schrieb am 22.10.1994 in der „Marbacher Zeitung“ über Martial Solal bei den Ludwigsburger Jazztagen:
„Eröffnet wurden die fünften Jazztage im Scala solistisch und leise: der am 23. August 1927 in Algerien geborene Pianist Martial Solal steht für Kultiviertheit und klassisches Know-how. Nachdem er 1950 nach Paris übersiedelte, arbeitete der universelle Künstler mit vielen prominenten Kollegen unterschiedlicher stilistischer Ausrichtungen zusammen. Paul Motian, Lee Konitz, Django Reinhardt, Don Byas, Sidney Bechet, Andre Hodeir, Stan Getz, Stephane Grappelli sind hier beispielsweise zu nennen. Martial Solals Engagement erstreckte sich auch ins Kompositorische für Neue Musik und ins Didaktische.
In Ludwigsburg verfuhr der Virtuose nun nach dem Prinzip »Erkennen Sie die Melodie?«. Da griff er flugs in die Zitatenschatztruhen von Duke Ellington (»Satin Doll«, »Sophisticated Lady«) und von George Gershwin (»Rhapsody in Blue« , »It’s wonderful«), um dann der »Sweet Georgia Brown« einen »Happy Birthday« zu wünschen und sie noch mit »Salt Peanuts« zu beglücken.
Beim Opener erinnerte sich Martial Solal offenbar seiner nordafrikanischen Jugend und intonierte Dizzy Gillespies »A Night in Tunisia«. Hier demonstrierte Solal exemplarisch, wie gewitzt er mit dem Themenmaterial umzugehen vermag: da erweitert er die harmonischen Wendungen, variiert die Melodie-Motive, schiebt perlende Läufe ein, läßt das Tempo agogisch ausschweifen und führt das rhythmische Geschehen bis ins reine perkussive Moment hinein.
In einer (eigenen) Etüde für die linke Hand ist es höchste Zeit für Charlie Parkers »Now’s the Time«, und dann geht Martial Solal am edlen Flügel obertonklangmalend vor. Dabei pflegt der 67jährige Pianist stets eine gediegene Anschlagskultur.“
Photos Hans Kumpf