„Ich habe mein Repertoire für dieses Hauskonzert aus nichtklassischer Musik zusammengestellt – nämlich aus Eigenkompositionen, bekannten Hits aus der Pop-Musik sowie Spirituals“, erläutert der Harfenist und Komponist Gernot Blume vor dem Spiel in Klein-Winternheim. Dennoch ist seine Bearbeitung des Johann Sebastian Bach-Chorals „Jesus bleibet meine Freude“ eines der eindringlichsten und emotionalsten Stücke dieses Konzertes vor zahlreichen Zuhörern. Aus seinen Erfahrungen als Jazzpianist resultiert sicher seine improvisierende Interpretation des Gershwin-Songs „Summertime“, den der Multi-Instrumentalist Blume für seine Doppelpedalharfe transkribierte. Der Künstler reduziert die Komposition auf die Struktur und baut die Melodie neu auf. Gleiches vollzieht Blume in den Mittelteilen der Lieder „Halleluja“ von Leonard Cohen sowie in der Zugabe von John Lennons „Imagine“. Zitate aus der Klassik schleichen unbeabsichtigt in seine Komposition „Preface“ ein.
Auf dem großen Instrument entlockt der Künstler eine abwechslungsreiche und spannende Klangvielfalt – mal meditativ, mal tänzerisch und immer bewegt. „Musik sucht sich die verschiedensten Klangfarben, Einflüsse, Inspirationen, Stile, Instrumente. Sie kennt die Traditionen der Kulturen dieser Welt und überwindet Grenzen.“ Diesem Postulat bleibt Blume treu.
Mitsingbar sind Hits wie das Gitarrenstück „Let it be“ von den Beatles oder der Carol King-Song „You´ve got a friend“. Die Noten perlen aus dem Instrument, die Finger Blumes fliegen bei Glissandi und Akkordgriffen über die 47 Saiten auch dann, wenn der Künstler in der Adaption bei dem Spiritual „Amazing grace“ die Reibungsflächen des ungewöhnlichen Instruments mit den Emotionen des Werkes voll auskostet. „Pilgrimage“ war seine erste Komposition, die beim Spielen entstand, erzählt der 50-jährige. „Die Entstehung glich einer Pilgerfahrt, die schließlich zur Notation führte“.
Das Publikum lauscht dem musikalischen „Nahkampf“, schlüpft „durch das kleine Loch der Ewigkeit ins Reich der Klänge“, ganz so wie es Gernot Blume nach einem einleitenden Gedicht aus seiner Feder gewünscht hatte. Die Zuhörer der introvertierten und zugleich treibenden Klangbilder – wie bei „O when the Saints“ – „ließen sich in die Musik fallen“. „Musik, die aus der Seele kommt, ist kein Luxusgut, sondern ein zutiefst menschliches Bedürfnis“, hat Blume einmal gesagt.
„Die Harfe ist eine Diva“, kommentiert der Spieler beim Nachstimmen der Saiten. Bei diesem Hauskonzert auf Einladung der Kultur-Initiative Klein-Winternheim (KiWi) moderiert Gernot Blume charmant. Lehrreich sind seine Erläuterungen der Funktion der sieben Pedale im Fuß der Harfe, mit denen er die sechseinhalb Oktaven je einen Halbton höher oder niedriger stimmen kann.
Zum Eingang des Abends stellen der KiWi-Vorsitzende Olav Muhl und Gastgeber Bernhard Schwank den im Bingen geborenen Gernot Blume vor. Verheiratet mit der Marimba-Spielerin und Perkussionistin Julie Spencer, hatte er in Amerika studiert und über Keith Jarrett promoviert. Gegenwärtig lehrt Blume am Hildegardis Gymnasium in Bingen sowie an der Universität in Frankfurt. Mit seiner instrumentalen Vielfalt von Klavier, Harfe, Nyckelharpa, Akkordeon, Kontrabass, Sitar, Surbahar, Vibraphon, Marimba bis Geige, Gitarre, Mandoline, Blockflöten, Rahmentrommeln, Tabla, Gamelan, Percussion und Gesang verbindet Gernot Blume multikulturelle Improvisationstechniken mit einem eigenen Kompositionsstil.
Text und Fotografie von Klaus Mümpfer – Mümpfers Jazznotizen