Kit Downes beim Landesjazzfestival in Schwäbisch Hall

Für die Kirchenorgel hat sich schon lange der Begriff „Königin der Instrumente“ eingebürgert und im vergangenen Jahr wurde dieses Instrument von den Landesmusikräten in Deutschland auch zum Instrument des Jahres gekürt. Wobei der Begriff „Instrument“ schon fast unterkomplex wirkt, angesichts der Vielfalt der tatsächlichen Instrumente, die sich hinter dem Begriff verbergen: jede Orgel ist anders, hat ihre mechanischen Eigenheiten und ihre spezielle Mixtur aus vielen Orgelpfeifen, aus denen sich das Klangbild mischt. Jede Orgel ist ein Unikat und damit wir auch jedes Konzert zum Unikat. Es spricht für das Programm des Landesjazzfestivals in Schwäbisch Hall, dass solch ein besonderes Konzert – schon etwas aus dem typischen Jazz-Rahmen fallend – ein Solokonzert an der Kirchenorgel der Katharinenkirche am Sonntagmorgen zur Matinee-Zeit präsentiert wird. Dass ein begnadeter Pianist und – eben auch – Orgelspieler wie der Brite Kit Downes sich nicht ad hoc an die Orgel setzt, darf man annehmen. Zumal er als Jazzmusiker nicht von irgendeiner Partitur einen kirchlichen „Standard“ wiedergibt, sondern als improvisierender Künstler sehr genau wissen muss, war aus „seinem“ Instrument herauszuholen ist.

Vor dem Konzert kündigte er ein Programm mit Eigenkompositionen, folkloristischen Songs seiner britischen Heimat und Unga und Chorälen (Hymns) an. Im Konzert folgt ein Set von rund 80 Minuten, in dem die verschiedenen Titel ineinanderfließen, sich verweben und ein volksliedhafter Rhythmus rasch wieder in freie Improvisation übergeht. Reichlich machte Downes von den spezifischen Möglichkeiten der Orgeln in der Katharinenkirche Gebrauch. Mechanische Registerzüge, die den Klang in feinsten Nuancen modulieren bis hin – am Ende des Konzerts – zum Aushauchen des Klangs durch Abschalten der Orgel, also die unverzichtbare Luft nehmend, nur um mit einem Wiederanstellen des Gebläses den frischen Wind für die Schlussakkorde zu spenden.

Was der Kirchorgel fehlt, die Flinkheit anderer Tasteninstrumente, die Möglichkeit in Millisekunden rhythmisch zu variieren und zu reagieren, wie bei einer Hammondorgel beispielsweise, macht sie durch viele andere Stärken wett: ihr unglaubliches Klangspektrum von tiefst dahinbrummelnden Tönen bis zu höchsten Registern. Der mechanischen Klangerzeugung mit ganz unterschiedlichen Typen von Pfeifen, die Variabilität der Mischung und Dynamik der Klangerzeugung.

Ganz und gar kirchenorgeltypisch ist die räumliche Qualität der Musik. Wer das Glück hat, in der Nähe der Orgel zu lauschen, dem könnten die Zeichnungen fantastischer Architektur von MC Escher vor Augen kommen. So wie dort anonyme Gestalten durch die Treppenhäuser steigen, so bewegen sich die Töne und Melodielinien in der Orgel. Jede Pfeife ist an Ihrem Ort, jeder erzeugte Klang ist an seiner Stelle im dreidimensionalen Raum verortbar und jede Melodie in der Orgel geht auf eine musikalische Wanderschaft. Downes nutzt diese Möglichkeiten exzellent aus, wenn er einzelne Melodielinien sehr prägnant über Klangtexturen auf die Reise schickt. Natürlich lässt auch er gelegentlich den hymnisch wuchtigen Kirchenorgelklang mit dem typischen Zusammenschalten von Registern hören – wer würde auf diese Dynamik schon verzichten? – vorwiegend hört man ihn jedoch als achtsamen Dirigenten der Klänge und Geräusche. Virtuos natürlich – aber Downes ist vor allem Meister des Mischens von Klangfarben und ein nuancierter Komponist und Improvisationsmusiker.

| Kit Downes
| Landesjazzfestival Schwäbisch Hall

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