Jazz & The City Salzburg 2017 (mit Fotos)

Sogar das Wetter spielte abwechslungsreich mit: zwischen einem Oktobertag, der noch einmal den August aufgesperrt hatte, und Sturm mit waagrechtem Regen am Vormittag des sonntäglichen Abschlusstags. Ähnlich abwechslungsreich war auch das fünftägige Programm von Jazz & The City in Salzburg. Ganz einfach konnte man das in der Schlange für eines der Abschlusskonzerte – Die Strottern mit der Jazzwerkstatt Wien –  im Gespräch erfahren: begeisterte Reaktionen auf Konzerte von denen man nur gelesen hatte und umgekehrt waren die persönlichen Highlights böhmische Jazzkonzerte für die Gesprächspartner. Die Vielfalt der Konzerte, Spielstätten und Spielarten des Jazz – eine gewollte Folge des Konzepts. Schon allein die Masse des Angebots zwang zu sorgfältiger Auswahl. Fünf Tage mit rund hundert Konzerten in 50 Spielstätten, praktischerweise die meisten davon in der überschaubaren Altstadt. Jazz & The City, das ist die Möglichkeit zum Zusammenstellen des ganz persönlichen Festivalprogramms mit gesunden Zwischenspurts zu den Spielstätten.

Sehr gelungen war das Konzept der Kuratorin Tina Heine, einige der Musiker an mehreren Tagen in unterschiedlichen Kombinationen in verschiedene Locations der Altstadt zu pflanzen. Der Schlagzeuger Alfred Vogel schien einen fast schon zu verfolgen: mal traf man ihn abends auf dem Marktplatz vor Mozarts Geburtshaus im Duo mit dem Vibraphonisten Jim Hart, mal spielte er im „Hotel Chelsea“, aber auch auf der Hauptbühne im Republic – und das waren nur die zufällig erspähten Gigs. Saxophonist Hayden Chisholm konnte man mit einem kontemplativen Solo-Konzert inklusive Obertongesang in der Kollegienkirche ebenso erleben wie im Mozartkino oder im Gasthof Krimpelstätter, dort im Duo mit dem Gitarristen Kalle Kalima.

Große Konzerte in kleinen Spielstätten

 Kalle Kalima war auch einer dieser „artists in residence“. Er spielte in der rockigsten Formation des Festivals KUU! zusammen mit Frank Möbus an der zweiten Gitarre, dem jüngst mit dem SWR Jazzpreis gekürten Schlagzeuger Christian Lillinger, und der aufregenden Sängerin Jelena Kuljíc. Die pusteten die von manchem Wohlklang (ach, Bugge, muss es wirklich „Bridge over troubled water“ sein?) verkleisterten Ohren wieder durch, und sorgten zudem für einen regen Publikumsaustausch. Man wäre gern ein Jazz-Bernhard, der die ignorant flüchtenden Gesellinnen und Gesellen aufs heftigste beschimpfte. Übrigens: ACT-Labelchef Loch blieb bei diesem Konzert bis zum Schluss, inklusive Zugabe. Chapeau!  Kalima spielte die Ensemblegrößen konsequent durch – solo war er ebenfalls zugange:  im Gitarrenladen „Riverside Guitars“, vor vielleicht 20 begeisterten Zuhörern. Und die waren nicht nur glücklich, überhaupt einen der raren Plätze ergattert zu haben, sondern vor allem wegen der großartigen Improvisationen des Finnen und Wahlberliners.

Auch KUU!-Flüchtlinge wurden im Festivalverlauf fündig. Es gab gefälligere Musik, wie den schon erwähnten Soloauftritt von Bugge Wesseltoft, der mit seinen soften Soloausflügen derzeit in eher seichtem Wasser fischt. Die Genregrenzen wurden von verschiedenen Bands überschritten und natürlich rundeten entfernte Jazz-Verwandte das Programm ab, wie die afrikanische Band Mokoomba, welche die Salzburgerinnen in entfesselte Tänzerinnen verwandelte.

Die Durchdringung der Stadt bis in kleinste Spielstätten, das weit gefächerte Programm von der Großformation des Andromeda Mega Express Orchestra(musikalisch farbeprächtiger Festivalauftakt)  über österreichische Recken (grandios die Jazzwerkstatt mit den Strottern oder Mario Rom’s Interzone mit Lukas Kranzelbinder am Bass und Herbert Pirker am Schlagzeug) bis zu einfach gutem Jazz (Angelika Niescier im Jazzit Jazzclub oder Daniel Erdmann’s Velvet Revolution) und die enge Taktung des Programms: echtes Festivalfeeling im Bereich von „zuviel“ bis „großartig, was alles geboten wird“.

Das „Kostenlos-Konzept“ stößt an seine Grenzen, wenn der Zuspruch allzu groß wird. Für einige der Konzerte war es sinnvoll eine Stunde vorher zu erscheinen, um mit Sicherheit auch einen Platz zu ergattern und die Ansage „wenn es dort voll ist, geh‘ einfach zum Konzert um die Ecke“ klappt auch nur solange, wie nicht alle Spielstätten überrannt werden. Glücklich konnte man sich schätzen, wenn man von der – übrigens hervorragenden – App des Festivals rechtzeitig ins Konzert von Daniel Erdmann’s Velvet Revolution gelotst wurde. Das fand im Printprogramm zu anderer Stunde statt und so war die Band mit Erdmann am Tenor, Theo Ceccaldi an der Violine und dem Vibraphonisten Jim Hart in angenehm lockerer Atmosphäre zu genießen. Eines der vielen Highlights bei Jazz & The City 2017.

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