Heile Welt, zart besaitet: Stimmung auf dem Lande

STUTTGART. Im letzten Jahrzehnt erlebte man Charlie Haden auf den Jazzbühnen der Welt nur im Hintergrund, eingerahmt von Plexiglaswänden. Solcherlei akustische Abschirmmaßnahmen waren begründet in der Ohrenkrankheit des Bassisten. Bei seinem „akustischen“ Duo mit dem alleweil tourenden Gitarristen Pat Metheny hatte der hypersensible Hörer Haden diese nicht nötig, trotzdem bewegte er sich musikalisch meist im Hintergrund. Anfang 1997 erschien bei Verve die seinerzeit hochgelobte CD „Beyound The Missouri Sky“, auf der die beiden Saiten-Stars ihrer Heimat, dem Mittleren Westen, lieblichen Tribut zollen. „The Precious Jewel“, „Tears Of Rain“ und „Two For The Road“ beispielsweise hießen damals die Titel, und Pat Metheny überraschte mit seiner eigens für ihn konstruierten 6-String-Sitarguitar

Im Rahmen der Reihe „JazzNights“ frischten die beiden Amerikaner ihr Duo-Projekt auch im relativ gut besuchten Beethovensaal der Stuttgarter Liederhalle auf. Es begann ganz allein Pat Metheny, immer wieder unterstützt von einem zuverlässigen Instrumenten-Zubringer. Zunächst „single notes“- „quasi una fantasia“, sodann mehr Akkordisches mit einem repetierenden Orgelton als Bass-Fundament. Schon bald bewies der Maestro (Jahrgang 1954) seine enorme Fingerfertigkeit, bei der auch der Daumen der Greifhand enorme Gelenkigkeit bewies. Alsbald kam, wie bei diesem Programm zu erwarten, Country-Romantisches und liedhafte Glückseligkeit auf. Bei der vierten Solo-Nummer trickste Pat Metheny mit seiner „Pikasso I“, einer von der kanadischen Instrumentenbauerin Linda Manzer gefertigten 42-saitige Gitarre mit vier Hälsen (davon einer zum Greifen) und zwei Schalllöchern. Ganz individuell hatte Metheny dieses opulente Gerät gestimmt und zauberte da höchst Polyphones, Klang-Differenziertes und fernöstliche Arpeggien.

Nur ein Solo-Stück präsentierte der 1937 geborene Kontrabassist Charlie Haden und umriss bereits seine Spielweise: viele schön-melodische „horn lines“, einzelne Doppelgriffe – und vor allem Gemächlichkeit. Vorbei der Zeiten, als Charles Edward Haden mit seinem „Liberation Music Orchestra“ für revolutionäres Treiben in Kultur und Gesellschaft sorgte. Trotz realpolitischer Katastrophen auch heutzutage entbot der Altlinke nunmehr Schönklang und heile Welt. Sic tempora mutant…

Vereint mit Metheny lieferte Haden nett die wohltönenden Basslinien und kostete in den moderaten Tempi den allgemeinen Wohlfühl-Sound aus: Easy Listening einen ganzen Abend lang, Musik zum Träumen – oder Einschlafen. Keineswegs hektischer Bebop, sondern harmlose Volksliedhaftigkeit. Melodiechen, die man vielleicht doch irgendwo schon gehört hat, darunter unverkennbar „Oh My Darling Clementine“. Pat Metheny, der erneut etliche Gitarren-Freaks, die aufmerksam die Griffe des Idols abschauen, ins Konzert lockte, blieb der musikalisch Dominierende. Ganz rein akustisch sind seine Korpusinstrumente mit Tonabnehmer und Verdrahtung ohnehin nicht, aber zum nicht unbedingt originellen „Blues For Pat“ seines Partners Charlie ließ er sich das E-Gitarrenbrett reichen, um einen fetzigeren Sound zu erzielen.

Nach zwei Stunden ohne Pause zeigte sich das Publikum hellwach und forderte jubilierend Zugaben.

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