„German Jazz Masters – Old Friends“ in der Rüsselsheimer Jazzfabrik 23. September 2010


Fotos und Text: Klaus Mümpfer 

Virtuosität und traumhaftes Verständnis, Souveränität und reife Abgeklärtheit zeigt sich in kleinen Höhepunkten. Einen dieser Momente erlebten die Fans beim Konzert der „German Jazz Masters“, als der Saxophonist Klaus Doldinger in der Schoof-Komposition „Like Don“ einen Akkord quasi als Staffelstab unisono an den Flügelhornisten weiterreichte, und auf dem dieser dann sein Solo aufbaute.


In der Nachfolge-Formation der „old friends“ ist die deutsche Jazz-Geschichte pur vereint, auch wenn Bassist Eberhard Weber durch einen Schlaganfall derzeit zur Unfähigkeit verdammt und Posaunist Albert Mangelsdorff verstorben ist. So hörten die Zuhörer auf der ausverkauften Hinterbühne des Rüsselsheimer Theaters den Kern jener Truppe, die einst im Auftrag des Goethe-Instituts als „German All Stars“ die Welt bereisten und sich vor Jahren wieder zusammengefunden hatten.

Groovend und funky, mit treibenden Basslinien und hart angerissenen Riffs, leitet der Bassist Wolfgang Schmid die meisten Kompositionen der Bandmitglieder ein. In Doldingers „Yellow Cab“ setzt er Akzente mit eingestreuten Double-Time-Griffen, mal spielt er den E-Bass selbst in rasenden Läufen erdig verankert, dann wiederum in Soli mit sanften Melodielinien. Vor allem aber verhilft er eher intellektuell wirkenden Kompositionen zu emotionalem Groove, was ihn von dem stärker dem Ästhetischen verpflichteten Vorgänger Weber unterscheidet. Schlagzeuger Meinhard „Obi“ Jenne trommelt in seinen rhythmisch vielschichtigen Soli überlegt und transparent, immer wieder zu mitreißenden Duellen mit dem Bassisten bereit.

Natürlich gibt es an diesem Abend ein Wiederhören mit Stücken der Musiker, die diese solistisch oder in eigenen Formationen bekannt gemacht haben. Doch selbst Hits wie „Wendekreis des Steinbocks“ oder „Trans Tanz“ aus Dauners Feder verlieren in der Wiederholung nicht ihre Reize. Die Faszination der kreisenden Ostinati und tremolierenden Figuren des Pianisten, seiner kurzen perlenden Läufen, der Single-Note-Einwürfen oder der wuchtigen Akkord-Schichtungen kann sich niemand entziehen. Seine Soli mit den versteckten Romantizismen können in Trance versetzen. Ökonomisch ist Dauners Begleitung der Bass-Soli Schmids, scheinbar hingetupft die Untermalung von Doldingers filigranem Sopransaxophonspiel im „Wendekreis“ oder fast „geschwätzig“ sein Sololauf in „Like Don“. In Doldingers „Cross Talk“ umranken sich in einem dem Titel gerechten Call and Respons-Spiel Flügelhorn und Altsaxophon. Das eine gibt ein sonores Melodiefragment vor, das andere antwortet mit singenden Linien. Schließlich mündet das Duett in eine finale Uni-Sono-Passage der Bläser. 

Einmal an diesem Abend wagen die Old Friends einen Ausflug in den Free Jazz, der eigentlichen Domäne des Trompeters Schoof. Der hat allerdings schon in seinem Quintett vor vierzig Jahren Brücken zwischen Tradition und freiem Spiel baute. Heute in Rüsselsheim explodiert nach einer mehrstimmigen Intro die Band im Crescendo im rhythmischen Pulse. Schoof steigt hier wie auch in anderen Stücken auf der Trompete mit gleißenden Stakkati in die High-Notes, verliert bei seinem energetischen Solo sogar unbemerkt einen Krümmer des Instruments, den Doldinger von Bühnenboden klaubt und ihm nach dem Solo lächelnd überreicht. Dauner hämmert seine rasenden Akkordfolgen in die Tasten und Doldinger attackiert mit scharfen, aber selten überblasenen Läufen. Schließlich endet das Stück in einem zerfaserten freien Tutti. Den Abend jedoch beschließen die Jazz-Masters mit einem leichten und ins Ohr gehenden „Lucky Looser“. Lucky waren auch die mehrere hundert Besucher, die den Meistern der deutschen Jazz-Nachkriegsgeschichte frenetisch Beifall spendeten.

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