Finkenbach Festival 2016

Sie waren wieder alle da, die Alt-Hippies, ihre Enkelkinder, die sich die Farben gleich in die Haut ritzen lassen und Metall durch ihre Körper an exponierten Stellen treiben. Die Hardcore Kraan-Fans mit ihren floureszierenden neuen Kraan T-Shirts. Die Kuchenfreunde und die Camper und natürlich die Biertrinker und ein paar Genießer anderer Genussmittel. Die vielen Freunde vom Festivalkopf Mani Neumeier, der sich fröhlich unters Volk mischte obwohl er alle zwei Meter angesprochen wurde und für rund hundertausend Bilder mit seinen Fans posieren musste – und das mit nie versiegender Freundlichkeit auch tat. Hundertausend waren es nicht ganz aber bei um die 2.500 war der alte Sportplatz in Finkenbach doch voll – auch dem großartigen, fast schon festivaluntypischen, Wetter sei Dank.

Die Bands, wie gewohnt eine gute Mischung aus Rock-Legenden, von denen sich nicht alle sträuben würden als Krautrocklegenden bezeichnet zu werden, und jüngeren Bands in deren Tradition. Amon Düül II war das gesetzte Highlight des Eröffnungstags, der vorher von den alten Rockerrecken von Epitaph und den jungen Progrock Talenten von Mother’s Cake eröffnet wurde. Erstaunlich frisch und lebendig wirkte die Frontfrau-Sängerin Renate Knaup (Henriette Krötenschwanz) und auch stimmlich auf der Höhe – auch wenn der Gesang gelegentlich einen gewissen Punk-Charakter annahm – tat dem positiven Gesamteindruck keinen Abbruch.

Am Samstag konnte man einige in Finkenbach bekannte Bands wiederhören. Sowohl Electric Orange mit krautigem Spacerock inklusive einer großen Prise Psychedelismus, als auch Marblewood („as if the Doors and Deep Purple had a child that has finally grown to maturity“) konnten schon am Nachmittag die Gemeinde vor der Bühne versammeln und begeistern.

Etwas dichter wurde es dann am frühen Abend bei Kraan. Die begannen ihr Set als kleine Überraschung einfach mal 20 Minuten früher als angekündigt. Die Titel waren bekannt und zielgenau ins Herz der vielen Kraan-Fans geschossen. Die gewohnt knackig-virtuosen Basslines von Hattler im Duo mit den flirrenden Gitarrenläufen von Peter Wolbrandt funktionierten reibungslos und trotzdem spannungsvoll – wer allerdings das Konzert vor zwei Jahren erlebt hatte, dem fehlte etwas die Magie. Vielleicht lag’s an der frühen Stunde. Den Geist von Finkenbach beschwor Hellmut Hattler wie auch später Mani Neumeier im Konzert der „Finkenbacher Hausband“ Guru Guru.

Bevor die Meister loslegten wurde an Hans Reffert, den Anfang des Jahres verstorben Gitarristen der Band, mit geweihtem Rauch und einem kollektiven Ommm gedacht. Eine nette und angemessene Geste. Hans Refferts Geist schwebte auch danach noch über die Bühne und vielleicht warf er einen Blick auf Jan Lindqvist, der seine Sache als „Nachfolger“ außerordentlich gut machte. An der Gitarre sowieso und beim „Pow-Wow“ auch an der Lap steel Guitar. Klar, bei Guru Guru freut man sich auf die alten Songs und wurde nicht enttäuscht: „Living in da Woods“, „Idli Killer“ bis hin zum „Elektrolurch“ – eingestreut nur wenige neuere Titel – und es macht einfach trotzdem und immer wieder Spaß diese Band zu hören.

Große Entdeckung für alle die sie nicht kannten und ein Faible für 70ies Rock Music haben: Siena Root. Langhaarige Typen, beim Schweinorgelkönig noch ein Bart, wie aus der Zeit gefallen oder von einer Harley, mit wuchtig bassunterlegten psychedelischen Songs. Richtige Songs, mit guten Hooklines – die Mädels vor der Bühne gerieten in Trance und ihre Haare flogen mit denen der Jungs der Band um die Wette. Sympathisch auch der Musikansatz der Band am nachkonzertlichen Plattentisch: Vinyl, analog aufgenommen. Werke mit gerade mal einem Song auf Seite A und einem auf B. So geht Musik eben auch noch – oder wieder – im aktuellen Jahrtausend. Coogan’s Bluff mit endlich mal zwei Bläsern an Saxophon & Posaune klangen richtig interessant, allein der Rezensent war müde und verschwand. Sorry.

| Guru Guru  & Mani Neumeier

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