
Fotos und Text: Klaus Mümpfer
Die interessanteste, aufregendste und innovativste Musik spielt immer noch in den Randbereichen des Jazz. Dies gilt ungeachtet der Zeitlosigkeit, Schönheit und Kreativität erfahrener Künstler, die sich im tonalen Jazz bewegen und mit ihrer Reife und Abgeklärtheit begeistern. Bei Wormser Festival „Jazz & Joy“ stehen für die erste Gruppe Renaud Garcia-Fons mit seinem Filmmusik-Projekt „Die Abenteuer des Prinzen Ahmed“, die Formationen „Between the times“ mit ihrer jazzigen Bearbeitung von Liedern mittelalterlicher Troubadoure, das Trio „Ajoi“ sowie das Duo Thomas Haag und Frank Schwaller, das filigranen akustischen Jazz auf Gitarre und Schlagzeug zelebrierte, aber auch mit flächigen, elektronischen Sounds experimentelle Klangteppiche webte. Ein Duo, das seinen ganz eigenen und unverwechselbaren Stil gefunden hat.
„Between the times“, die vor zwei Jahren auf dem gleichen Festival mit dem Bassisten Miroslav Vitous konzertierte, schlug dieses Mal die Brücke vom Mittelalter in die Gegenwart. Harmonisch kommunizierten die Sopranistin Constanze Backes mit ihrer klaren und tragenden Stimme sowie Johannes Vogt mit ziselierten Läufen oder sparsamen Einwürfen auf der großen Laute. Für jazzige Elemente sorgten Knut Rössler mit melodischen Ausflügen auf Sopransaxophon sowie der renommierte Jazz-Bassist Günter Lenz.
Den Klangkosmos abendländischer und fernöstliche Musikkulturen breitete der französische Bassist Renaud Garcia-Fons mit seinem Filmprojekt aus. Iranische Trommeln, Marimbaphon und percussiv gespielter Kontrabass unterreichen den Schlachtenlärm böser und guter Geister, die indische Bansuriflöte illustriert Trauer und Hoffnung von Prinzen und Feen, die Laute untermalt Liebe und Umarmung. Garcia-Fons hat für dieses Projekt eine von Flamenco auf dem gestrichenen Kontrabass und orientalischen Melodien inspirierte Musik geschrieben.
Claus Boesser-Ferrari, Jutta Glaser, Erwin Ditzner
Tags zuvor hatte an gleicher Stelle die Vokalistin Jutta Glaser mit gurrender, zischender und zwitschernder Kehlkopfakrobatik die fantasievollen Soundcollagen des Gitarristen Claus Boesser-Ferrari abgerundet. Schlagzeuger Erwin Ditzner ergänzte mit seinem eigenwilligen und dennoch groovenden Trommelspiel den Sound des Trios „Ajoi“.
Repräsentant der gereiften Traditionalisten war beim Festival der inzwischen 86-jährige Emil Mangelsdorff mit seinem Quartett. Der singende und geschmeidige Balladen-Ton des älteren Bruders Albert Mangelsdorffs ist voller Emotionalität. Sein abschließender „Blues-Forever“ erinnert an den „Blues an sich“, mit dem Emil 1987 in Mainz eines der seltenen Konzerte mit Albert einleitete. Noch immer schlägt die Komposition die Zuhörer in Bann – zumal wenn so exzellente Partner wie der kreative Bassist Vitold Rek wunderschöne harmonische Läufe streicht und zupft oder Janusz Stefanski die flexible und immer elegant wirkende rhythmische Basis trommelt.
Eine neue Klangfarbe brachte der Vibraphonist Florian Poser mit dem polnischen Akkordeonisten Cezary Paciorek in sein swingendes Quartett. Am stärksten beeindruckten Klöppelspiel und Akkordeon in den Duos von Poser und Paciorek sowie die groovenden Kollektive.
Über Mangel an Groove und Funk konnten sich die Zuhörer bei Nils Landgrens „Funk Unit“ nicht beklagen. Die Soundwalze überrollte schier die zahlreichen Fans. Doch außer der Botschaft „Funk for Life“ aus seinem Kenia-Hilfsprojekt konnte der Mann mit der roten Posaune nicht viel Neues berichten. Die Musik kam routiniert und technisch fehlerfrei, für ein wenig Emotion sorgten die beiden Saxophonisten – und das war´s auch schon.
Seine stilistische Vielseitigkeit stellte der Saxofonist Gary Fuhrmann unter Beweis. Der Träger des Wormser Jazzpreises ist ansonsten im freien und experimentellen Jazz zuhause. Bei „Worms Jazz & Joy“ fügte er sich mit geschmeidigem Saxofonspiel in den traditionellen New-Orleans-Jazz der „Vieux Carré Jazz Band“ ein – eine Band, deren Mitglied er mit Unterbrechungen seit zehn Jahren ist. Zuvor hatte die jugendliche Formation „Get It“ aus der von ihm geleiteten Wormser Musikschule gezeigt, wie gut junge Musiker den Jazz verstehen und beherrschen.
Virtuos, aber ein wenig zu sehr verliebt in seine nahezu perfekten Hochgeschwindigkeitsläufe interpretierte der Gitarrist Joscho Stephan im gleichnamigen Quartett Kompositionen von Django Reinhardt. Mit rockendem und groovendem Blues sowie deutschen Texten brachte der aus Worms stammende Gitarrist und Sänger Michael Koschorreck seine Fans in Stimmung.
Joy Delanale
Eine optische wie akustische Augenweide war die Soulsängerin Joy Delanale. Unterstützt wurde die stimmgewaltige Diva von einer relaxed spielenden Band. Neben dem Soft-Pop-Star Ronan Keating lockt sie die meisten Zuhörer auf den großen Platz vor dem romanischen Westchor des Wormser Domes. Beide standen für den Joy-Part des Festivals „Jazz & Joy“.
Bei der Programmzusammenstellung für den Jazz-Part im historischen Kreuzgang des Andreasstiftes bewies der Musiker und künstlerische Leiter Stefan Traub Geschick und Geschmack.