Alle Photos auf dieser Seite: Hans Kumpf
„Brian Auger Trinity featuring Savannah Grace“ oder „Brian Auger’s Oblivion Express“ – Brian Auger, die englischen Hammond-Orgel-Legende, ist sich auf seinen Websites uneins, wie denn jetzt sein neues Quartett heißen soll. Dem Familien-Trio gesellte sich bei einem furiosen Konzert in der „Häberlen“-Kneipe noch der amerikanische Bassgitarrist Les King hinzu (und nicht, wie angekündigt, Nicklas Sample). Da wurden wahrlich heiße Eisen geschmiedet, beherzt blues-rhythmisch zugeschlagen und die Musikfunken sprühten – bei der Veranstaltung des eingetragenen und Vereins „Kulturschmiede Gaildorf“.
Gaildorf. Ein besonderes Bluesfest Mitten im Oktober. Frostig war es außerhalb, im Häberlen ging es umso heißer zu. Über einhundert Fans hatten sich dort eingefunden. Brian Auger konzertierte schon mal zusammen mit dem Drummer Pete York in Gaildorf. Nun fühlte sich der Brite erneut wohl in der Bluesmetropole zwischen Schwäbisch Hall und Backnang. Inzwischen hat er 72 Lenze auf dem breiter gewordenen Buckel und tourt unermüdlich durch Europa, unterstützt vom trommelnden Sohn und singender Tochter.
Originalton Brian Auger: „Ich bin happy, to have my Sohn zu schlagen das Zeugen!“. Und Auger jun. geht mit seinem Drumset selbstbewusst und zielsicher um. Früher erregte Papa mit der am phänomenalen 8. Juni 1951 geborenen Sängerin Julie Driscoll (die ja den markanten Jazzavantgardepianisten Keith Tippett geehelicht hat) weltweites Aufsehen, nunmehr übernimmt Savannah Grace den obligatorischen Vokalpart. Sie wirkt weniger distanziert als Driscoll und agiert sogar etwas flexibler in der Modulation. Aber sie geht improvisationslos vor – was ja im Rock durchaus erlaubt ist.
Tastenmann Brian Auger sprengt jedoch ständig das 3-Minuten-Hit-Korsett, „live“ nimmt er sich reichlich zeitlichen Freiraum, um solistisch kreativ zu wirken. Auf seine historische Hammond-B3-Orgel hat er als drittes Manual ein digitalisiertes E-Piano platziert, das auch mal wie ein Vibraphon oder wie Streicher zu klingen vermag. Brodelnde Intensität allenthalben, der alte Mann schont sich nicht. Und ewig lockt der Blues – der 12-Takter aus England ist sichtlich in seinem Element. Ein mächtiger Groove mit viel „drive“, gekonnt unterstützt durch den Sohnemann am Schlagzeug mit der überdimensionierten Basstrommel und dem Afroamerikaner Les King mit dem nötigenfalls locker „slappenden“ Gitarrenbass.
Schon bald werden im ersten Set mit „Season Of The Witch“ und „Save Me“ an die alten Erfolgszeiten Ende der 60er Jahre erinnert. Und weiter geht’s: Rockig, knackig und zackig, fulminant und furios. Da ist unmittelbares Leben, keine Konserve. Man hätte sich da mal eine kleine Verschnaufpause mit einer ruhigen Ballade wünschen können – „Road To Cairo“ beispielsweise. Aber nein: Hochenergetisch wurde die musikalische Sache durchgezogen.
Erst nach der Pause zelebrierte Savannah Grace Auger stimmungsvoll „Cry Me A River“, den einst von Arthur Hamilton für dessen Klassenkameradin Julie London geschriebenen Herz-Schmerz-Song. Mit adäquatem Feeling setzte hier Karma Auger am Schlagzeug „rühr“-selig die Besen ein. Dann auch eine eigenständige Cover-Version von „Light My Fire“ der „Doors“. Selbst der renommierte Beethoven-Pianist und Möchtegern-Jazzer Friedrich Gulda (1930-2000) hatte diese Nummer vor Jahren in seinem swingenden Programm.
Eine Performance in anheimelnder Club-Atmosphäre. Hochkonzentriertes im engen Raum und engem Rahmen. Brian Auger samt seiner familiären Dreieinigkeit und dem sich harmonisch einfügenden Bassgitarristen Les King strotzten auch in Gaildorf vor nimmermüder Musizierfreude und verausgabten sich vehement. Unverständlich, dass an anderen Tourneestationen zuweilen weniger als fünfzig Interessierte die agile Legende erleben wollten. Im November kann sich Brian Auger immer noch nicht von seiner eigenen Konzertreise erholen. Da wird er den tragisch an Krebs erkrankten Jon Lord („Deep Purple“) bei dessen „Blues Project“ ersetzen und vermutlich nicht weniger vehement in die Hammondorgeltasten greifen.