Gesänge gegen den Gleichschritt
Fish Music 012
November Songs
Fish Music F 013
Mitte der 70er Jahre wurde Ekkehard Jost bekannt durch das Buch „Free Jazz. Stilkritische Untersuchungen zum Jazz der 60er Jahre“. Damals war freilich nicht so sehr bekannt, dass der Musikwissenschaftsprofessor an der Justus-Liebig-Universität Gießen auch as beherzter Jazzinstrumentalist auftritt. Inzwischen ist der 1938 in Breslau Geborene emeritiert, doch zur Ruhe gesetzt hat sich Ekki Jost überhaupt nicht. Als Theoretiker bleibt er aktiv, und erst recht „in alter Frische“ als Praktiker am Baritonsaxophon. Daneben führt er sein eigenes Label „Fish Music“ weiter.
Seine beiden letzten CD-Produktionen beziehen sich auf Historisches, ohne die Gegenwart auszublenden. Da greift er erneut politisches Liedgut auf. Die „Gesänge gegen den Gleichschritt“ kommen zumeist artig im Viervierteltakt daher, doch revolutionäre Ungeduld artikuliert sich da in rotzigen Soloimprovisationen. Keine leichte Kost – und damit dem Leitthema angemessen. Mit Jost musizieren die Saxofonkollegen Wollie Kaiser und Friedhelm Schönfeld, der Posaunist Christof Thewes, der Trompeter Reiner Winterschladen sowie Dieter Manderscheid und Joe Bonica an Bass und Schlagzeug. Semantische Klarheit schafft immer wieder Dietmar Mues mit emotional aufwühlendem Textvortrag. Bei der unter die aufmüpfige Jazzmangel genommenen Musik aus fünf Jahrhunderten finden sich vertraute Hits wie „Ca ira“ und „Bella Ciao“, aber auch Eigenkompositorisches.
Gemütlicher geht es bei den „November Songs“ zu. Avantgardist Ekkehard Jost erinnert sich an seine „coolen“ Zeiten Ende der 50er Jahre in Hamburg, als Gerry Mulligan als das große Idol am Baritonsax fungierte. Neben dem CD-Opener „Lonesome Boulevard“ wurde von Meister Mulligan auch „Summer’s Over“ übernommen. Mit von der Partie sind Josts langjährige Mitspieler Dieter Manderscheid (Kontrabass) und Janusz Stefanski (Schlagzeug). Am Klavier sitzt der „Amerikaner in Frankfurt“ Bob Degen, der in seinen Improvisationen gerne in die Zitatenschatztruhe greift. Stilistisch bewegt man sich bis zum Hard Bop, wobei das Wissen um den Free Jazz nicht negiert wird. Ganz glatt kommen diese „November Songs“ keineswegs daher, eine gewisse Sprödigkeit verleiht ihnen – wie ohnehin die Anti-Gleichschritt-Gesänge – Jostsche Authentizität. Einschmeicheln gilt nicht. Von „easy listening“ kann beide Mal keineswegs die Rede sein. Gefordert ist ein emanzipierter Rezipient – ganz nach dem Wunschbild des alten Adornos…